"Wenn die das hier rückgängig machen, dann kann man nur noch austreten"

Gemeindeleiter: Pfarreien-Instruktion hat uns gekränkt und verletzt

Veröffentlicht am 29.10.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bad Iburg/Saerbeck/Obersulm ‐ Rund drei Monate ist es her, dass die Kleruskongregation mit einer Instruktion die Leitungsverantwortung von Laien für Pfarreien abgelehnt und damit viel Kritik hervorgerufen hat. In einigen Bistümern werden bereits Kirchengemeinden von Laien geleitet. Was hat sich dort seitdem getan?

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Die Überraschung war bei vielen Bischöfen und Kirchenvertretern groß, als die vatikanische Kleruskongregation am 20. Juli die Instruktion "Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche" veröffentlichte. Selbst der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und der schwedische Kardinal Lars Anders Arborelius – beide Mitglieder der besagten Kongregation – sollen nichts von der Instruktion gewusst haben. 

Groß war die Überraschung auch bei den Laien, die in deutschen Bistümern bereits Gemeinden leiten – und genauso groß wohl auch deren Unverständnis. "Das hat mich total geärgert und ich habe mich gefragt: Was schreibt die Kleruskongregation da?", berichtet Pastoralreferent Werner Heckmann. Er ist seit Kurzem Gemeindeleiter der Pfarrgemeinde St. Georg in Saerbeck im Bistum Münster. Da die Instruktion nahezu zeitgleich mit dem Beginn des Leitungsmodells veröffentlicht wurde, hätten einige Gemeindemitglieder sogar gedacht, der Vatikan beziehe sich auf die münsterländische Kirchengemeinde.

"Was mache ich hier? Was soll das jetzt?"

Entsetzen, Unverständnis und Sprachlosigkeit waren auch die ersten Reaktionen von Bärbel Bloching auf die Veröffentlichung der Pfarreien-Instruktion. Seit rund drei Jahren leitet sie als Pfarrbeauftragte die Kirchengemeinde St. Johann Baptist Affaltrach in Obersulm im Bistum Rottenburg-Stuttgart. "Ich habe mich auch selbst infrage gestellt und mich gefragt: Was mache ich hier? Was soll das jetzt?" Sie war deshalb sehr froh, als sich die deutschen Bischöfe früh mit deutlicher Kritik am Vatikan-Schreiben geäußert haben. "Das hat mich erstmal beruhigt und bestätigt, dass nicht morgen gleich alles anders sein wird", so die Pastoralreferentin.

Einer der ersten Bischöfe, die auf die Instruktion reagierten, war der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode. "Ich habe das Gefühl gehabt, er hat sich wirklich hinter uns gestellt und hinter das, was wir hier probieren", sagt Christine Hölscher, die seit gut einem Jahr die Pfarreiengemeinschaft Bad Iburg/Glane in Bodes Diözese als Pfarrbeauftragte leitet. Der Bischof habe deutlich gemacht, dass er hinter dem Leitungsmodell stehe. So gab es zwar in den ersten zwei Wochen nach der Veröffentlichung der Instruktion Diskussionen darüber. "Danach war das aber kein Thema mehr", sagt die ausgebildete Pastoralreferentin.

Die Vatikan-Instruktion zur Pfarreireform

Laien dürfen keine Pfarreien leiten – auch nicht im Team mit einem Priester: Mit dieser Anweisung hat der Vatikan Gemeindereformen weltweit Grenzen gesetzt. Vor allem im deutschsprachigen Raum sorgte die Instruktion jedoch für so heftige Kritik, dass der Vatikan nicht um ein Gesprächsangebot herum kam.

Nichtsdestotrotz habe sie sich durch das Schreiben auch gekränkt gefühlt. Es habe deutlich gemacht, dass es in der Kirche eine Struktur der Diskriminierung gegen Frauen gibt, da das Weiheamt und die begrenzten Zugänge dazu in manchen Teilen des Schreibens stark betont worden seien. "Für mich als Frau, die hier jeden Tag versucht ihr Bestes zu geben, ist das schon verletzend", so Hölscher. Es sei immer wieder eine Aufgabe, diese Rückmeldungen in den eigenen Glauben und das Verhältnis zur Kirche zu integrieren. "Das ist eine Geschichte, die ich kenne mit meiner Kirche."

Unterstützung bekommen Hölscher, Bloching und Heckmann dabei von den Leitungsteams und den Gläubigen in ihren Gemeinden. "Gerade ältere, engagierte und treue Christen sagen: 'Wenn die das hier rückgängig machen, dann kann man nur noch austreten'", berichtet Heckmann. "Wenn unser Modell nicht mehr möglich gewesen wäre, dann hätte das schon eingeschlagen", sagt auch Bloching.

"Die Vorsicht ist erhöht"

Auch die Zusammenarbeit im Leitungsteam in der Gemeinde funktioniere gut. Der einzige Geweihte im Team vor Ort sei der Pfarrvikar, der vor allem für Sakramente und die Liturgie zuständig sei. "Da gibt es gar keine Probleme mit der Akzeptanz", so Bloching. Dessen Chefin sei sie aber nicht, betont sie.

Auch für Werner Heckmann funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Pfarrverwalter Pater Hans-Michael Hürter "wirklich hervorragend." Offiziell sei Hürter sein Vorgesetzter – intern heiße es, er solle sich bei der Pfarreileitung im Hintergrund halten, sagt Heckmann. "Das ist dieser Spagat, den man machen muss und es bleibt natürlich ein Stück lähmend und frustrierend, dass da nicht mehr Klarheit möglich ist." Bisher kämen beide sehr gut miteinander klar. Die Frage sei allerdings, was passieren würde, wenn plötzlich ein anderer Pfarrverwalter bestellt würde oder es einen Punkt gäbe, an dem sich beide nicht einig sind. "Dann müsste man schauen, wie man das löst", sagt Heckmann. Seit der Veröffentlichung der Instruktion hat er daher vor allem eine Veränderung bei der Stimmung in der Gemeinde und im Bistum wahrgenommen. "Die Vorsicht ist erhöht."

Zwei Frauen und ein Mann, die in Deutschland bereits katholische Gemeinden leiten
Bild: ©picture alliance/dpa | Edith Geuppert; privat; epd-bild/Detlef Heese; Montage:katholisch.de

Sie sind sich einig, dass Leitungsmodelle mit gut ausgebildeten Laien die Zukunft der Kirche vor Ort sind (v.l.): Bärbel Bloching, Werner Heckmann und Christine Hölscher

Mit dem "Statut für die Leitung von Kirchengemeinden nach can. 517 § 2 CIC" hat das Bistum Rottenburg-Stuttgart Mitte September noch einmal den kirchenrechtlichen Rahmen für die Bestellung von Nicht-Priestern als Pfarrbeauftragte geregelt. Vor Kurzem hat Bischof Gebhard Fürst außerdem eine neue Pfarrbeauftragte bestellt. Für Bloching war das ein richtiger Schritt. Dass die Frage nach Laien in Pfarreileitungsformen damit nun endgültig geklärt ist und alles so bleibt wie bisher, glaubt sie aber nicht. "Dahinter würde ich ein Fragezeichen setzen", sagt die Pastoralreferentin. "Ich hoffe das aber natürlich schon."

Nach der zahlreich geäußerten Kritik an der Instruktion, hatte die Kleruskongregation den deutschen Bischöfen ein klärendes Gespräch in Rom angeboten. Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), sagte im August, dass er das Angebot annehmen wolle und schlug vor, das Gespräch auch mit dem Präsidium des Synodalen Wegs zu führen. Am Montag wurde allerdings ein Brief von Kardinal Beniamino Stella, Präfekt der Kleruskongregation, an die DBK bekannt. Demnach sollen keine Laienvertreter an der Aussprache mit den Spitzen der DBK im Vatikan teilnehmen. "In Anbetracht der Tatsache, dass diese Instruktion ihrer Art wegen in erster Linie an die Bischöfe gerichtet ist (vgl. can. 34 § 1 CIC), betrachte ich in dieser Phase diese als die erforderlichen Gesprächspartner dieser Kongregation", hieß es in dem Schreiben.

"Wir tun heute bereits das, was morgen erst offiziell erlaubt ist"

Als Bärbel Bloching als Pfarrbeauftragte ihrer Gemeinde vorgestellt wurde, hätten viele Menschen gesagt: "Endlich tut sich mal was in der Kirche", erzählt sie. Grundsätzliche Strukturen haben sich seitdem aber nicht viel geändert. "Es geht um Strukturen und die können auf Dauer kränkend sein", sagt Heckmann. Wenn man mehr Laien in Leitungspositionen wolle, dann müsse sich etwas ändern. "Dann müssen sich die Strukturen und das Kirchenrecht dringend den Notwendigkeiten und Realitäten anpassen", so der Pastoralreferent. "Ich persönlich nehme da niemandem etwas übel. Aber auf Dauer muss man das lösen."

Manchmal glaube er, dass mehr möglich wäre als das, was derzeit in den Gemeinden umgesetzt wird. "Dafür müssten aber die Bischöfe mutiger sein und sagen: Das machen wir hier jetzt so." So wie seine Kolleginnen aus den Bistümern Osnabrück und Rottenburg-Stuttgart ist er der Meinung, dass Leitungsmodelle mit gut ausgebildeten Laien die Zukunft der Kirche vor Ort sind und weiter gefördert und ausprobiert werden müssten. "Das ist manchmal auch ein katholisches Prinzip: Wir tun heute bereits das, was morgen erst offiziell erlaubt ist."

Von Christoph Brüwer