Nach Vertuschungsvorwürfen

Erzbischof Heße: Habe über Amtsverzicht nachgedacht

Veröffentlicht am 04.02.2021 um 08:26 Uhr – Lesedauer: 

Osnabrück ‐ Im Zusammenhang mit Vertuschungsvorwürfen gegen seine Person hat Erzbischof Stefan Heße nach eigenen Worten über einen Amtsverzicht nachgedacht. Er könne dies jedoch nicht von sich aus tun, wie ihm die Bischofskongregation "ganz klar" signalisiert habe.

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Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße hat im Zusammenhang mit dem Missbrauchskandal in der katholischen Kirche nach eigenen Worten darüber nachgedacht, sein Amt ruhen zu lassen. Er könne dies jedoch nicht von sich aus tun, sagte er im Interview der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag). Die römische Bischofskongregation habe ihm "ganz klar" signalisiert: "Im Moment gibt es nur Dinge, die in der Zeitung stehen. Es gibt noch keine Studie, deswegen haben wir keine Veranlassung, jetzt Maßnahmen zu ergreifen." Nur der Papst könne ihn daher zu einem Amtsverzicht auffordern, so Heße.

Eine abschließende Antwort aus Rom habe er noch nicht erhalten, fügte der Erzbischof hinzu. Er gehe jedoch davon aus, dass die Kongregation sich mit der Angelegenheit auseinandersetze. Neben ihm stünden auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und die dortigen Weihbischöfe Ansgar Puff und Dominikus Schwaderlapp im Fokus: "Das sind jetzt vier Bischöfe in Deutschland - da kann ich mir nicht vorstellen, dass die Kongregation davor die Augen verschließt."

Im September waren Vorwürfe gegen Heße bekannt geworden, nach denen er in seiner Zeit als Personalchef im Erzbistum Köln Missbrauchsfälle vertuscht haben soll. Die "Zeit"-Beilage "Christ&Welt" veröffentlichte Teile eines Gutachtens der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW), in denen Heße eine "indifferente" und "von fehlendem Problembewusstsein" geprägte Haltung gegenüber Opfern vorgeworfen wird. Heße wies die Anschuldigungen zurück. Im November informierte er die Bischofskongregation und erklärte, sein Amt als Geistlicher Assistent des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) bis zur Aufklärung der Vorwürfe ruhen zu lassen.

"Nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt"

Er kenne aus dem WSW-Gutachten nur den Teil, der ihn selbst betreffe, sagte Heße nun weiter. "Mit den wenigen Worten, die in einer großen Zeitung gestanden haben, ist das Resümee dessen" auch bereits in der Öffentlichkeit. Für das neue Gutachten, mit dem der Kölner Jurist Björn Gercke beauftragt wurde und das im März vorgestellt werden soll, sei er noch nicht befragt worden. Er nehme indes für sich in Anspruch, in allen Missbrauchsfällen im fraglichen Zeitraum "nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt" und sich der Aufarbeitung verschrieben zu haben.

Dabei schließe er nicht aus, dass er Fehler gemacht habe, fügte Heße hinzu. "Für mich ist aber auch klar: Ich habe damals in das Thema viel investiert, mit vielen Betroffenen und vermeintlichen Tätern gesprochen, und ich habe das zum großen Teil mit anderen Verantwortlichen gemeinsam gemacht." Die letzte Entscheidung treffe in solchen Fällen der Bischof.

Zur aktuellen Debatte um die Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln sagte Heße, sie überlagere das Thema Missbrauch in der katholischen Kirche derzeit. Er selbst sei seit sechs Jahren nicht mehr in Köln und fühle sich als Nordbischof, insofern halte er sich mit einer Bewertung der Situation zurück.

Kardinal Rainer Maria Woelki
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki steht im Zusammenhang mit der Missbrauchsaufarbeitung in seinem Erzbistum unter Druck.

Weiter forderte Heße in dem Interview eine ergebnisoffene Diskussion über die Frage des Frauenpriestertums. "Es hat in der katholischen Kirche immer eine Weiterentwicklung der Lehre gegeben. Und deswegen sollten wir das auch hier nicht von vornherein ausschließen", sagte der Erzbischof.

Entscheidung "nur auf Weltebene" möglich

Klar sei, dass eine solche Entscheidung "nur auf Weltebene" getroffen und von einem Konzil gefällt werden könne, so Heße. Eine Positionierung zu dem Thema seitens der deutschen Bischöfe müsse daher "so gut werden, dass sie auch im Dialog mit Rom trägt" und in den Diskurs mit anderen Ortskirchen weltweit eingespeist werden könne. An diesem Punkt befinde man sich derzeit jedoch noch nicht.

Vielmehr gehe es zuerst um die Frage, wo Frauen schon heute mehr Verantwortung in der Kirche übernehmen könnten, ohne dass man das Kirchenrecht verändern müsse. "Wo kann man jetzt schon etwas tun? Ich denke etwa an Abteilungsleiterinnen im Ordinariat", so Heße. "Wir müssen auf allen Ebenen Frauen weiter in Verantwortung bringen."

Heße ist Mitglied des Frauenforums beim Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland. Dieser tagt am Donnerstag und Freitag in einer Digitalkonferenz. Mit dem Reformdialog Synodaler Weg wollen die deutschen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nach dem Missbrauchsskandal Vertrauen zurückgewinnen und innerkirchliche Debatten voranbringen. Dabei geht es um Themen wie Macht, Sexualmoral, Lebensform der Priester und die Rolle von Frauen in der Kirche. Die Initiative wurde 2019 beschlossen; das Ende ist, auch wegen Corona, offen.

Unterdessen schlug der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken im Kölner Portal "domradio.de" vor: "Warum nicht ein neues Amt schaffen, das Frauen offensteht und das ohne Weiteres auch genutzt werden kann, das man auch mit Macht und Kompetenz ausstatten kann, statt immer nur all dem hinterherzulaufen und darin dann die Glückseligkeit zu sehen?" Seines Erachtens täte die Kirche gut daran, an vielen Stellen nicht zu versuchen, "einfach nur alte Bastionen zu stürmen, sondern auch irgendwie neu und kreativ unterwegs zu sein". Mit Blick auf eine Priesterweihe von Frauen verwies Picken auf theologische Problematiken, die dabei aufgebrochen werden müssten: "Das wird wahnsinnige Energien kosten, ist theologisch auch nicht einfach, auch wenn man natürlich diese Zielvorgabe gut verstehen kann." (tmg/KNA)

4.2., 14:15 Uhr: Ergänzt um Picken.