Bischof für entscheidende Rolle von Frauen bei Ausbildung von Seminaristen

Gerber: Nicht alle 27 Bistümer für Neuordnung von Priesterausbildung

Veröffentlicht am 08.11.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Fulda ‐ Die Idee, die Priesterausbildung an drei Standorten zu bündeln, sorgte 2020 für Kritik. Nun ist klar, dass es mehr Zentren sein werden. Im katholisch.de-Interview spricht der verantwortliche Bischof Michael Gerber über den aktuellen Stand des Prozesses – und die Rolle der Frauen in der Ausbildung.

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Die Priesterausbildung in Deutschland befindet sich derzeit in einem Umbruch: Wegen der geringen Anzahl an Kandidaten für das Weiheamt kooperieren viele der 27 deutschen Diözesen bei der Durchführung des vorbereitenden Propädeutikums, während der Studienphase und bei den Kursen nach der akademischen Ausbildung. Das bedeutet aber auch, das künftig an vielen Standorten für das Theologiestudium keine Priester mehr ausgebildet werden. Bischof Michael Gerber koordiniert für die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) den Prozess zur Neuordnung der Priesterausbildung. Im Interview spricht der Bischof von Fulda über den aktuellen Stand der Planungen und die eigenen Erfahrungen in seiner Diözese.

Frage: Herr Bischof Gerber, Sie sind Vorsitzender der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste der DBK. In diesem Zusammenhang koordinieren Sie den Prozess der Neuordnung der Priesterausbildung innerhalb Deutschlands. Vor zwei Jahren wurde der Vorschlag veröffentlicht, das Theologiestudium an drei Zentren zu bündeln. Inzwischen ist von rund zehn zentralen Standorten die Rede. Ist das nun die endgültige Zahl?

Gerber: Das ist insgesamt ein Prozess – was sicherlich auch noch in den kommenden Jahren so sein wird. Aktuell steht in unserer Kirche sehr vieles auf dem Prüfstand. Im Moment ist es so, dass an den Standorten München, Sankt Georgen (Frankfurt am Main) und Erfurt – wenn auch in kleinerem Umfang – eine Zusammenarbeit zwischen Bistümern bei der Priesterausbildung vorbereitet oder eingeleitet wird. Auch andere bekannte Standorte für das Theologiestudium existieren weiter. In der gerade entstehenden Neuauflage der Grundordnung zur Priesterausbildung werden unter anderem auch wesentliche Koordinaten der Zusammenarbeit von mehreren Bistümern an einem gemeinsamen Ausbildungsstandort festgelegt. Bislang waren das eher bilaterale Abkommen zwischen einem Bistum mit einem aufnehmenden Seminar und dem entsendenden Bistum. Nun wollen wir stärker schauen, wie das Verhältnis zwischen dem Heimatbistum eines Seminaristen und dem zentralen Standort für das Theologiestudium gestaltet werden sollte.

Frage: Was bedeutet das konkret?

Gerber: Ich kenne die Thematik noch aus meiner Zeit als Regens in Freiburg, wo wir das Propädeutikum zusammen mit anderen Bistümern angeboten haben. Wir wollen nun gemeinsam festlegen, wer welche Verpflichtungen hat: Welche Aufgabe hat die Leitung vor Ort in dem regionalen Seminar? Und welche Aufgabe hat der, der als Regens im Auftrag seines Bischofs zuständig für die Seminaristen aus dem jeweiligen Heimatbistum ist? Das muss gut geklärt sein.

Frage: Vor kurzem äußerte sich der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät in Bonn, Jochen Sautermeister, zu der geplanten Zentralisierung der Priesterausbildung. Ihm schien nicht ganz klar zu sein, wie der aktuelle Stand in der Sache ist. Müssen die Entwicklungen des Prozesses besser kommuniziert werden?

Gerber: Grundsätzlich gilt, wir müssen die Beratungen als Prozess betrachten. Wir haben unsere bisherigen Ergebnisse in die Bischofskonferenz hineingegeben. Nun ist die Frage, welche Resonanz das in den einzelnen Bistümern findet. Insgesamt gab es zwar viele Reaktionen, das bedeutet aber nicht, dass alle 27 Bistümer dieses Konzept komplett mittragen. Mit den oben genannten Standorten gibt es eine gewisse Zentrierung. Bei den jüngsten Prozessschritten hat sich aber eine Frage herausgestellt, die ich für sehr fundamental halte: Der jeweilige Kandidat und seine Ausbilder müssen sich wiederholt die Frage stellen: Welcher Ort und welches Setting bieten in der gerade anstehenden Ausbildungsphase für den betreffenden Kandidaten die mutmaßlich beste Voraussetzung, dass dieser sich entwickelt – menschlich, geistlich, wissenschaftlich? Die genannten Kooperationen in Bezug auf einen regionalen Standort haben damit keine absolute Bedeutung im Sinne von "hier schickt Bistum X alle seine Kandidaten hin", sondern eine im guten Sinne relative Bedeutung. Leitendes Motiv muss die Frage sein, was fördert im konkreten Fall tatsächlich ein Wachstum?

Bild: ©KNA/Angelika Zinzow

Bischof Michael Gerber leitet die Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste der Deutschen Bischofskonferenz. Der Bischof von Fulda gehört der Arbeitsgruppe an, die an der Reform der Priesterausbildung in Deutschland arbeitet. Gerber leitet den Prozess, auf der Grundlage der universalkirchlichen Ordnung der Priesterausbildung ("Ratio Fundamentalis") eine nationale Ordnung ("Ratio Nationalis") zu formulieren. Beim Synodalen Weg gehört er dem Forum "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" an.

Frage: Vor einigen Jahren war die starke Reduktion auf nur drei Orte der Priesterausbildung in Deutschland angekündigt worden. Vor ein paar Monaten wurde zurückgerudert. Konnten Sie den großen Unmut verstehen, der wegen der geringen Zahl von nur drei Ausbildungsstätten für die Seminaristen herrschte?

Gerber: Mir ist sehr wichtig, dass wir – ganz im Sinn des Ignatius von Loyola – sehr gut zwischen Ziel und Mittel unterscheiden, um über unser Anliegen zu reflektieren. Das Ziel ist, dass wir Menschen haben, die gut ausgebildet sind – nicht nur für den Priesterberuf, sondern auch für die anderen pastoralen Dienste. Das ist mir sehr wichtig zu betonen, denn diese Verzahnung der Ausbildungen der unterschiedlichen pastoralen Dienste ist schon jetzt von fundamentaler Bedeutung. Die Mittel dafür sind die entsprechenden Ausbildungselemente und dabei auch die Frage, an welchen Orten geschieht das. Weiterhin gehören dazu Spezifika, also das, was ein Bistum selbst an studienbegleitenden Maßnahmen anbietet. Eine besondere Bedeutung hat das Theologiestudium. Ich halte es für wichtig, dass wir weiterhin gute Standorte für das Theologiestudium an staatlichen Universitäten haben. Es wird ein eigener Prozess sein, das zu profilieren und in unserer Gesellschaft zu plausibilisieren. Diese Thematik ist zwar mit der Priesterausbildung verknüpft, hat aber eine eigene Wertigkeit. Es ist notwendig, sich damit auseinanderzusetzen, warum es wichtig ist, dass wir in unserer Gesellschaft eine reflektierte wissenschaftliche Theologie haben. Im Blick auf die Ausbildung ist mir sehr wichtig festzuhalten, dass die Theologie eine prägende Kraft hat: Sie ist deutlich mehr als die Vermittlung theologischer Inhalte. Vielmehr hat das Studium der Theologie das Potential, eine ganzheitlich formende Kraft zu sein. So kann etwa die Auseinandersetzung mit der "Kritik der Hermeneutik" entscheidend dazu verhelfen, kritisch zu reflektieren, wie nehme ich überhaupt Wirklichkeit wahr, die Wirklichkeit um mich herum und die Wirklichkeit, die ich selbst bin. Das ist hoch relevant, liegt doch nicht zuletzt eine wesentliche Ursache für den Missbrauch in einem Ausfall von Wirklichkeitswahrnehmung.

Frage: In einigen Bistümern gab es aber große Aufregung über die Vorschläge, da befürchtet wurde, dass es dann in Zukunft kein eigenes Priesterseminar mehr gibt.

Gerber: Ich selbst bin Bischof eines Bistums, das sein Seminar und den Magisterstudiengang an der eigenen Fakultät aufgegeben hat. Es gibt einen Kreis von Menschen, die sehr unmittelbar mit der Fakultät verbunden sind, für die das ein sehr schmerzhafter Prozess ist. Das kann ich sehr gut verstehen. Auch die Verantwortlichen im Bistum und die Gremien haben dafür großes Verständnis.

Frage: Meinen Sie, die Einrichtung der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) durch Kardinal Woelki steht in Zusammenhang mit der Diskussion um die Standorte für das Theologiestudium, die nicht erst seit kurzer Zeit geführt wird?

Gerber: Das müssen Sie die Verantwortlichen in Köln fragen. Ich bin selbst daran interessiert, dass wir neben den Fakultäten an staatlichen Universitäten auch kirchlich verantwortete Studienstandorte – wie etwa Sankt Georgen – bewahren. Ich halte die Ausbildung dort für zukunftsweisend, weil in Sankt Georgen mehrere Bistümer kooperieren und auch die Expertise des Jesuitenordens prägend ist. Die Hochschule ist zudem gut vernetzt mit vielen anderen akademischen Einrichtungen weltweit und auch mit der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, an der ebenfalls Theologie getrieben wird. Ein kirchlicher Standort sollte dann gehalten werden, wenn diese Entscheidung reflektiert und zukunftsweisend ist.

Menschen stehen im Atrium des Hörsaalgebäudes der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt
Bild: ©KNA

Menschen stehen im Atrium des Hörsaalgebäudes der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. An der Einrichtung des Jesuitenordens werden die Priesteramtskandidaten mehrerer Bistümer ausgebildet.

Frage: Wie bewältigen Bistümer, deren Seminaristen bislang im eigenen Bistum studierten, den Spagat, dass sich die Studenten weiterhin mit der eigenen Diözese identifizieren und nicht den Kontakt verlieren?

Gerber: Das ist in der Tat eine Herausforderung, auch bei uns im Bistum Fulda, wo wir seit kurzem diese neue Situation haben. Große Bedeutung hat hier die Vernetzung der verschiedenen Ausbildungsgänge. Es ist ein Ziel, unter den Studierenden der Diözese für die pastoralen Dienste ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln. Ich war vor einigen Monaten mit den Studierenden aller Berufsgruppen des Bistums zwei Tage zu Fuß in der Rhön unterwegs. Die dabei stattgefundene Kommunikation ist nicht zu unterschätzen. Wir sind als Bistümer neu herausgefordert, kreativ zu schauen, wie eine emotionale Verwurzelung geschehen kann. In der von Mobilität geprägten Gesellschaft, auf die wir uns zubewegen, brauchen die Menschen, die nachher im einem Bistum arbeiten, einen großen Horizont an Lebenserfahrung– auch in Bezug auf den Studien- und Arbeitsort.

Frage: Im kommenden Jahr wird die neue Ordnung für die Priesterausbildung veröffentlicht. Welche Erkenntnisse aus dem Priester-Forum des Synodalen Wegs werden darin einfließen?

Gerber: In den vergangenen zwei Jahren gab es eine enge Kommunikation zwischen den Foren des Synodalen Wegs, in denen es um die Priesterausbildung geht, und der Arbeitsgruppe der DBK, die den Text der "Ratio Nationalis" verantwortet, die Rahmenordnung für die Priesterausbildung. Ein Beispiel dafür ist der Handlungstext "Frauen in Kirche und Theologie" des Synodalen Wegs. Darin wird gefordert, dass Frauen künftig in der Priesterausbildung eine wichtige Rolle spielen. Ich habe in den ursprünglichen Text per Antrag einen dann bei der Synodalversammlung angenommenen Passus angeregt, der dieses Anliegen mit einer stärkeren Vernetzung auf der Seite der Ausbilder für die unterschiedlichen Studiengänge verbindet. Es gibt also zwei Anliegen, die dadurch bedient sind: Zum einen sollen Frauen in der Priesterausbildung eine relevante, das heißt eine im wahrsten Sinne des Wortes entscheidende Rolle spielen. Zum anderen soll es eine enge Vernetzung geben. Der Regens und weitere Ausbildungsverantwortliche haben künftig eine gemeinsame Verantwortung für wesentliche Ausbildungsschritte – etwa im Sinne einer wechselseitigen Stellvertretung in der Ausbildung der jeweils anderen Berufsgruppe. Das habe ich in den Änderungsantrag des Frauenforums eingebracht und es wurde in den Text übernommen. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie die "Ratio Nationalis" und die Texte des Synodalen Wegs miteinander im Austausch sind. Insgesamt ist das für mich auch eine Erfahrung von Synodalität: Die eine Seite wartet nicht einfach ab, bis die andere etwas publiziert, sondern man ist im Austausch.

Frage: Wäre dann auch der Titel "Regentin" für die verantwortliche Ausbilderin denkbar?

Gerber: Es gibt im Kirchenrecht die Vorgabe, dass ein Priester als Regens für die Priesterausbildung verantwortlich ist – was aber nicht heißen muss, dass Frauen nicht auch verantwortlich sein können. In Freiburg habe ich als Regens erfahren, dass die Ausbildung im Bereich der Religionspädagogik fest in der Hand von Frauen ist und ihre Meinung zur Befähigung der Seminaristen hochrelevant ist. In diese Richtung kann noch deutlich mehr gehen, das heißt Verantwortung von Frauen in der Priesterausbildung nicht nur für einen bestimmten Bereich, sondern im Blick auf die gesamte Ausbildungsdynamik. Dabei sollten wir uns aber nicht bei Titeln aufhalten, sondern schauen, was wir effektiv erreichen können.

Von Roland Müller