SPD: "Regierungsprogramm" für mehr Zusammenhalt – auch mit Kirchen?
Bei der Bundestagswahl am 23. Februar geht es um viel. Das weiß auch die SPD. "Selten in den vergangenen Jahrzehnten waren klare Haltung, Charakter und Erfahrung so entscheidend", schreibt die Partei in der Einleitung zu ihrem Wahlprogramm. "Selten kam es so sehr darauf an, dass Respekt für alle herrscht. Respekt für jede und jeden Einzelnen – egal, wieviel sie verdienen, woran sie glauben oder woher sie kommen."
Dass die SPD sich in ihrem Wahlprogramm gleich auf der zweiten Seite so prominent zur Religionsfreiheit bekennt, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Religion und Kirche auf den insgesamt 68 Seiten ansonsten kaum vorkommen. So erwähnt die SPD das Wort Kirche nur zweimal. Dabei geht es immer um den gemeinsamen Einsatz für gesellschaftliche Entwicklung. "Kirchen und Religionsgemeinschaften leisten einen wertvollen Beitrag für unser Zusammenleben", heißt es unter dem Punkt "Wir kämpfen für Zusammenhalt und gegen die Feinde der Demokratie". Und weiter: "Wir fördern den interreligiösen Dialog und schützen die Religions- und Weltanschauungsfreiheit." Unter dem Punkt "Wir kämpfen für eine gerechte Welt" werden die kirchlichen Partner zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen NGOs und einem eigenständigen Entwicklungsministerium hervorgehoben, um wichtige Arbeit bei der Bewältigung globaler Krisen und der Prävention von Konflikten zu leisten. Die Ausgaben für öffentliche Entwicklungsleistungen sollen daher aus Sicht der SPD steigen.
Wachstum, soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit
Einer der ersten Punkte, die die SPD anführt, um einen neuen "Aufschwung für Deutschland" zu erreichen, ist die Wirtschaftspolitik. Hier solle es darum gehen Wachstum, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden. Innovationen sollen den Produktionsstandort Deutschland voranbringen. Dazu zählen auch Fortschritte im Bereich der KI. Auch hier sollen "soziale Innovationen und gemeinwohlorientiere Projekte und Strukturen" besonders berücksichtigt werden. Punkte, die etwa in den politischen Forderungen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) ganz ähnlich vorkommen.
So verhält es sich beispielsweise auch mit der Erweiterung von Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes um sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität. Was die SPD hier in ihrem Regierungsprogramm ankündigt, stand schon im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung. Bei seiner letzten Vollversammlung hat das ZdK an dieses Vorhaben erinnert – und diese Forderung auch an eine künftige Bundesregierung gestellt.

Bei ihrer letzten Vollversammlung hatte sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) dafür ausgesprochen, Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetztes zu ändern. Ein Vorhaben, das auch im Wahlprogramm der SPD auftaucht.
Insgesamt prägen – wenig überraschend – klassisch sozialdemokratische Themen das Wahlprogramm: Die SPD will sich beispielsweise für bezahlbaren Wohnraum, gerechteren Lohn, stabile Renten und sichere Arbeitsplätze einsetzen. Allesamt Ansätze, die mit der katholischen Soziallehre und den bereits erwähnten ZdK-Forderungen harmonieren.
Wenig harmonisch verlief der Wahlkampf dagegen in den vergangenen Wochen gerade beim Thema Migration. Die SPD behandelt das Thema erst im letzten Viertel ihres Programms – und teilt dort ordentlich gegen die Union aus: "Mit ihrem Festhalten an veralteten Vorstellungen gefährdet die Union so den sozialen Frieden und stellt sich gegen eine moderne Gesellschaft, die auf Zusammenhalt, Vielfalt und Chancengerechtigkeit basiert", heißt es dort. Ohnehin sind es gerade CDU und CSU, an denen sich die SPD in ihrem Programm namentlich abarbeitet. So auch an dieser Stelle.
Die Sozialdemokraten wollen nach eigenen Worten bestehende Strukturen überprüfen, um aus der "Geschichte der Integration weiter eine Erfolgsgeschichte zu machen". Konkret bedeutet das etwa, dass qualifizierte Arbeitskräfte einfacher und schneller nach Deutschland kommen können sollen. Die Sozialdemokraten sprechen sich dabei auch für eine solidarische Verteilung Geflüchteter in Europa aus. "Grenzschließungen und Pauschalzurückweisungen an den Binnengrenzen widersprechen dem Geist eines gemeinsamen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts", heißt es. Diese müssten "die absolute Ausnahme" bleiben. Auch Familienzusammenführungen für subsidiär Schutzbedürftige sollen weiterhin ermöglicht werden. Zwei Punkte, die mit dem von Friedrich Merz initiierten "Zustrombegrenzungsgesetz" diametral anders geregelt werden sollten.

"Die katholische und evangelische Kirche haben gestern in einem Brandbrief eindringlich vor ihren Vorschlägen gewarnt, Herr Merz!", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung. Auch im Wahlprogramm arbeitet die SPD sich an den Migrationsplänen der Union ab.
In seiner Regierungserklärung griff Bundeskanzler und SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz in der vergangenen Woche noch explizit den Brief der Kirchen zum gescheiterten CDU-Entwurf auf: "Die katholische und evangelische Kirche haben gestern in einem Brandbrief eindringlich vor ihren Vorschlägen gewarnt, Herr Merz!", betonte Scholz. Bei der Position der SPD zur Migration dürfte er die kirchlichen Verbände dagegen weitgehend hinter sich wissen.
Im Hinblick auf die Kriege in Europa und im Nahen Osten wiederholt die SPD in ihrem Wahlprogramm das von Bundeskanzler Olaf Scholz geprägte Wort "Zeitenwende". Für Deutschland bedeutet das höhere Verteidigungsausgaben, um die Bundeswehr zu stärken. Auch die Ukraine soll zur Verteidigung und zur Sicherung des Friedens in Europa mit Waffen und Ausrüstung unterstützt werden – "mit Besonnenheit und Augenmaß". Gleichzeitig bekennt sich die SPD zu Diplomatie und Dialog, um Kriege und Konflikte zu beenden. Friedensinitiativen begrüßt sie daher – die Souveränität der Ukraine müsse dabei aber gewährleistet sein. Immerhin der Einsatz für Diplomatie dürfte innerhalb der Kirche nahtlos anschlussfähig sein.
Schwangerschaftsabbrüche als medizinische Grundversorgung
Dezidiert mit der Haltung der Kirche liegt jedoch die Position der SPD zum Thema Abtreibung über Kreuz. "Wir werden Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren und außerhalb des Strafrechts regeln – außer wenn sie gegen oder ohne den Willen der Schwangeren erfolgen", kündigt die Partei an. Schwangerschaftsabbrüche sollen demnach zu einem Teil der medizinischen Grundversorgung werden. Zuletzt hatten die deutschen Bischöfe Ende sich vergangenen Jahres in der Debatte um die Abschaffung des Paragrafen 218 zu Wort gemeldet und vor einem abgestuften Lebensschutzkonzept gewarnt. "Dies wäre ein hoch problematischer verfassungsrechtlicher und ethischer Paradigmenwechsel", kritisierte noch im Dezember der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Auslöser für die Debatte war damals der Antrag "Versorgungslage von ungewollt Schwangeren verbessern" – eingereicht von Grünen und der SPD.
Insgesamt stellt die SPD in ihrem Wahlprogramm immer wieder Bezüge zu den in der vergangenen Legislaturperiode erreichten Punkten und Plänen her. "So schwierig die letzten Jahre auch gewesen sein mögen – immer, wenn es darauf ankam, war auf Bundeskanzler Olaf Scholz und die SPD Verlass", heißt es gleich zu Beginn. Dass das Wahlprogramm mit "Regierungsprogramm" überschrieben ist, macht die Ambitionen der Partei deutlich. Ob sie ein entsprechendes Mandat bekommt, wird die Bundestagswahl am 23. Februar zeigen. Zumindest aktuelle Umfragen deuten allerdings nicht darauf hin, dass die SPD erneut die Regierungskoalition anführen wird.