Liturgische Vielfalt bereichert die Kirche – auch die "Alte Messe"

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Das Leak könnte strategisch sein: Über Jahre waren nur die sehr negativen Rückmeldungen der französischen Bischofskonferenz zur Umfrage der damaligen Glaubenskongregation zur "Alten Messe" bekannt – ganz auf Franziskus-Linie. Kaum ist ein neuer Papst im Amt, der immer wieder von seinem Vorgänger aufgegebene Traditionen aufleben lässt – von der Fronleichnamsprozession über die Übergabe der Pallien an neue Erzbischöfe bis zum traditionellen Urlaubsort – wird ein neues Bild gezeichnet.
Franziskus hatte seine Einschränkung der "Alten Messe" mit den Ergebnissen der von ihm in Auftrag gegebenen Umfrage begründet. Wenn die von der Vatikan-Journalistin Diane Montagna nun veröffentlichte offizielle Zusammenfassung der Ergebnisse echt ist, hat er dabei das Negative einseitig betont: Die meisten Bischöfe scheinen an Benedikts Liberalisierung nichts auszusetzen gehabt zu haben. Selbst die des Traditionalismus unverdächtige Deutsche Bischofskonferenz soll sich für die Beibehaltung des Nebeneinanders von ordentlicher (nachkonziliarer) und außerordentlicher (vorkonziliarer) Form ausgesprochen haben. Das Leak zur günstigen Zeit könnte nun also eine neuerliche Änderung des liturgischen Status quo durch Papst Leo XIV. je nach Herkunft entweder vorbereiten oder zu befördern versuchen.
Wäre das so schlimm, Franziskus' Reform zu korrigieren, etwa durch ein Zurück zu den Regeln Benedikts XVI.? Fast genau vor vier Jahren ist das Motu proprio Traditionis custodes erschienen, mit dem Franziskus die Freunde der Alten Messe gegen sich aufbrachte. Nach diesen vier Jahren zeigen sich die Auswirkungen: Die damals vom Papst geäußerte Hoffnung auf eine Befriedung von Konflikten hat sich nicht erfüllt. Die Fronten haben sich verhärtet – nicht zuletzt aufgrund der kleinteiligen und kleinlichen Ausführungsbestimmungen aus dem Liturgiedikasterium: Selbst ob Alte Messen im Pfarrbrief erscheinen dürfen, hat Rom geregelt. Und dass eine Verbannung aus den Pfarrkirchen keine Spaltungen abbaut, hätte von Anfang an erkannt werden müssen.
Heute ist klar: Traditionis custodes ist gescheitert, und nicht die pastoral kluge Lösung von Summorum Pontificum – und angesichts der Rückmeldungen von damals hätte man das vorher wissen können. Furcht vor liturgischen Varianten ist unbegründet. Was spaltet, ist nicht Vielfalt, sondern Ausgrenzung. Tatsächlich hat der von Franziskus propagierte eine römische Ritus schon jetzt vielfältige Formen: die alten Varianten des Mailänder und des mozarabischen Ritus stehen neben den neuen, inkulturierten Messformen im Kongo, in Australien und Mexiko. Liturgische Vielfalt bereichert die Kirche. Alte und neue Liturgie können sich gegenseitig befruchten. Der Leak könnte für den Traditionen aufgeschlossenen Papst Leo XIV. jetzt der Anstoß sein, um einen neuen Anlauf zu einem liturgischen Frieden zu nehmen.
Der Autor
Felix Neumann ist Redakteur bei katholisch.de und stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten (GKP).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.