Domkapitular Michael Dörnemann organisiert synodalen Prozess im Bistum Essen

Ansprechpartner für Weltsynode: Synodale Wege gehören eng zusammen

Veröffentlicht am 15.10.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Essen ‐ Nach der Eröffnung in Rom beginnt am Sonntag die diözesane Phase des weltweiten synodalen Prozesses des Papstes. Der Essener Domkapitular Michael Dörnemann ist in seinem Bistum Ansprechpartner für diesen Prozess. Im katholisch.de-Interview erklärt er, was geplant ist.

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Strukturreformprozesse, Synodaler Weg und jetzt auch noch der synodale Prozess des Papstes: In den Bistümern gibt es aktuell jede Menge Veränderungsprozesse. Für das Bistum Essen ist der Leiter des Dezernats Seelsorge, Domkapitular Michael Dörnemann, Ansprechpartner des synodalen Prozesses. Im Interview erklärt er, was die synodalen Bestrebungen verbindet und wie möglichst viele Menschen daran beteiligt werden können. Dabei zieht er auch eine Parallele zum Evangelium.

Frage: Herr Dörnemann, am Sonntag startet die diözesane Phase des weltweiten synodalen Prozesses in den einzelnen Bistümern. Wie beginnt diese Phase bei Ihnen im Bistum Essen?

Dörnemann: Am Sonntag wird unser Bischof Franz-Josef Overbeck im Dom den diözesanen Prozess des weltweiten synodalen Weges mit einem Pontifikalamt eröffnen. Dazu sind natürlich alle Gläubigen eingeladen – insbesondere die Vertreterinnen und Vertreter des Bistums Essen auf dem Synodalen Weg in Deutschland sowie die Mitglieder des Ordensrates, des Priesterrates und des Diözesanrates. Mit diesen Gremien trifft der Bischof sich am 3. November zu einem gemeinsamen Abend, um die zehn Felder zu besprechen, die der Papst in seinem Dokument zur Weltsynode genannt hat. In Vorbereitung auf dieses Treffen beraten die Gremien zunächst untereinander und entwickeln – wie der Papst es formuliert – Visionen und Hoffnungen für die Zukunft der Kirche. Aus den Ergebnissen des Austauschs erarbeiten wir ein Dokument, das dann im Dezember oder Januar an die Bischofskonferenz geht, wo die Eingaben aus allen Bistümern gebündelt werden.

Frage: Es gibt also lediglich dieses eine Treffen mit dem Bischof und den Gremien, aus dem sich dann das Dokument für das Bistum Essen ergibt?

Dörnemann: Natürlich sind alle einzelnen Gläubigen eingeladen, sich zu diesen zehn Themenfeldern zu äußern. Wie das funktioniert, werden wir noch kommunizieren. Wenn sich also jemand als Einzelperson melden will, kann er das mir gegenüber auch gerne tun. Wir schauen dann, wie wir diese Einzelpositionen in unsere Antwort einbinden können. Der Papst hat den synodalen Prozess sehr breit angelegt. Er möchte bewusst, dass wir auch an die Ränder gehen. Im Ordensrat sind viele Ordensleute vertreten, die auch in den sozialen Brennpunkten in unserem Bistum tätig sind und dadurch auch die Perspektive der Armen, die dem Papst sehr wichtig ist, in den synodalen Weg einbringen.

Frage: Ich habe den Eindruck, dass der synodale Prozess des Papstes neben dem Synodalen Weg in Deutschland ein bisschen untergeht. Wie wollen Sie das ändern?

Dörnemann: Ja, diesen Eindruck habe ich auch. Dabei gehören beide Prozesse eng zusammen. Wir haben deshalb mit unserem Bischof und den Gremienverantwortlichen entschieden, dass wir angesichts des deutschlandweiten Synodalen Wegs, der im Moment viel an Kraft und Energie beansprucht, versuchen, die Erkenntnisse und Visionen dieses Prozesses in den weltweiten synodalen Weg einzuspeisen. Auch deshalb nehmen unsere Vertreter an beiden Projekten teil. So wollen wir aufgrund der Knappheit der Zeit möglichst zügig zu guten Ergebnissen kommen, damit der weltweite synodale Weg nicht im Hintergrund bleibt, sondern durchaus die Stimme der Katholikinnen und Katholiken aus dem Ruhrbistum in Rom zu Gehör kommen.

Die zweite Synodalversammlung
Bild: ©Julia Steinbrecht/KNA

Während der weltweite synodale Weg Rücksicht auf die Kulturen in der Weltkirche nehme, sei der Synodale Weg in Deutschland von der deutschen Mentalität geprägt, sagt Dörnemann. Aus seiner Sicht gehören beide Prozesse aber eng zusammen.

Frage: Bis diese erste diözesane Phase abgeschlossen sein soll – das ist ja schon im April nächsten Jahres – wird es vom Synodalen Weg in Deutschland noch keine festen Beschlüsse geben…

Dörnemann: Deshalb können auch die Synodalen unseres Bistums nur die Dinge einbringen, die derzeit Diskussionsstand sind – neben ihren persönlichen Überzeugungen, die ja auch willkommen sind.

Frage: Was ist aus Ihrer Sicht der große Unterschied zwischen den beiden synodalen Wegen, die jetzt quasi parallel in Deutschland laufen?

Dörnemann: Dem weltweiten synodalen Weg sieht man an, dass er Rücksicht nimmt auf die unterschiedlichen Kulturen in der Weltkirche. Der Synodale Weg in Deutschland dagegen ist sehr stark von der deutschen Mentalität geprägt, die durch Satzungen, durch Strukturen, durch eine hohe Beteiligung von unterschiedlichen Menschen die kirchlichen Visionen entwickeln möchte. Ich glaube, dass der deutsche Beitrag weltkirchlich ein wichtiger Beitrag ist. Das sagt auch Bischof Overbeck über seine Gespräche mit Kirchenvertretern aus Lateinamerika. Diese betonen durchaus, wie wichtig der deutsche Zugang zu Veränderungsprozessen im weltkirchlichen Kontext ist. Es ist aber auch klar, dass man auf weltkirchlicher Ebene keinen so strukturierten Prozess aufsetzen kann, wie er jetzt mit dem Synodalen Weg in Deutschland läuft. Dafür sind die Kulturen und Mentalitäten zu unterschiedlich. Ich glaube daher, dass sich diese Prozesse sehr gut ergänzen können. 

Frage: Im Vademecum, dem Leitfaden, der zum weltweiten synodalen Weg veröffentlicht wurde, heißt es: "Jede Diözese sollte das Ziel anstreben, eine möglichst große Beteiligung zu erreichen und vielfältige Plattformen einzubeziehen." Dazu sollen auch Menschen zählen, die sich beispielsweise von der Kirche entfernt haben. Wie wollen Sie das erreichen?

Dörnemann: Da kommt uns zugute, dass wir bei uns bereits einen lokalen Reformprozess hatten, in dessen Rahmen wir auch die Stimmen derer gehört haben, die viele kritische Punkte angemerkt haben oder schon aus der Kirche ausgetreten sind. Der Diözesanrat hat diese Punkte aufgenommen und war in den vergangenen Jahren immer wieder mit Menschen in Kontakt, die mit der Kirche hadern. Diese Erkenntnisse und Erfahrungen werden also einfließen in den synodalen Prozess des Papstes. Das, was viele Menschen kritisch sehen und warum sie sich mit der Kirche in ihrer derzeitigen Gestalt schwertun, liegt ja auf dem Tisch.

Papst Franziskus eröffnet die Weltsynode im Vatikan.
Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani

Papst Franziskus habe den Prozess ja ganz bewusst auf eine geistliche Ebene gehoben und das jesuitische Prinzip der Unterscheidung der Geister eingefordert, so Dörnemann. "Das werden wir in unserem Beitrag, der zuerst zur Bischofskonferenz und dann nach Rom geht, berücksichtigen"

Frage: Die Stimmen dieser Menschen sind also über die Gremien abgebildet, die mit ihnen gesprochen haben?

Dörnemann: Ja, auf jeden Fall.

Frage: Wird jetzt also über Themen gesprochen, die sowieso schon auf dem Tisch liegen, die auf diesem Wege aber sozusagen "eine Stufe höher" eingereicht werden?

Dörnemann: Ja, aber es geht dabei auch um eine andere Sichtweise. Papst Franziskus hat den Prozess ja ganz bewusst auf eine geistliche Ebene gehoben und das jesuitische Prinzip der Unterscheidung der Geister eingefordert. Das werden wir in unserem Beitrag, der zuerst zur Bischofskonferenz und dann nach Rom geht, berücksichtigen. Letztlich sind die vielen Strukturfragen, die Fragen nach Macht und Nichtpartizipation, durchaus auch geistliche Fragen. Ich finde es interessant, dass an diesem Sonntag das Evangelium gelesen wird, in dem die Zebedäus-Söhne Jakobus und Johannes nach ihrem Platz rechts und links vom Thron Jesu fragen. Jesus macht ihnen dann deutlich: Wer groß sein will, der sei der Diener aller und der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen. Er fordert also eine dienende Kirche, die auch Papst Franziskus ganz wichtig ist. Von daher sind Struktur- und Machtfragen keine ungeistlichen Fragen, sondern ganz im Gegenteil: In ihrer Umsetzung zeigt sich, wie nah die Kirche am Evangelium ist.

Frage: Sie haben die knappe Zeit und die parallellaufenden Prozesse bereits angesprochen. Wie hoffnungsvoll sind Sie, dass es eine große Beteiligung der Menschen in Ihrem Bistum am weltweiten synodalen Prozess gibt?

Dörnemann: Zumindest im Diözesanrat haben wir mit einigen gesprochen und nochmal das gehoben, was wir auch an Visionen und Hoffnungszeichen für die Kirche der Zukunft sehen. Deshalb gehe ich davon aus, dass in den nächsten Wochen bis zum Ende des Jahres durchaus viele Stimmen zusammenkommen. Allerdings erlebe ich im Moment auch Ermüdungserscheinungen, es braucht an manchen Stellen daher eine zusätzliche Motivation. Ich treffe aber auch auf Menschen, die sich jetzt bewusst auf diesen Weg mit dem Papst begeben wollen.

Frage: Wie sind Sie persönlich dazu gekommen, dass Sie Ansprechpartner für den synodalen Prozess in Ihrer Diözese geworden sind?

Dörnemann: Ich bin geistlicher Assistent des Diözesanrates, der als höchstes Laiengremium des Bistums in solchen Prozessen immer eine wichtige Rolle spielt. Daher hat der Bischof mir diese Aufgabe übertragen, zumal ich bereits seit 2011 Verantwortung für den Dialogprozess in unserem Bistum und die daraus entstandenen Zukunftsbildprojekte hatte. Insofern bin ich seit längerer Zeit in die kirchlichen Veränderungsprozesse eingebunden.

Von Christoph Brüwer