"Grüne Kirche", Frauenrechte und Kritik an Synodalitätsprozess

Weltsynode: Das steht in den Antworten der Kontinente an den Vatikan

Veröffentlicht am 22.04.2023 um 00:01 Uhr – Von Carina Adams, Matthias Altmann, Benedikt Heider und Felix Neumann – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die kontinentale Phase der Bischofssynode zur Synodalität ist beendet. Sieben Kontinentalversammlungen haben dabei ihre Wünsche und Vorstellungen an den Vatikan formuliert. Katholisch.de hat einen Blick in die Dokumente geworfen und manche Überraschung gefunden.

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Am Donnerstag hat der Vatikan über den Abschluss der kontinentalen Phase der Bischofssynode informiert. Synodenorganisatorin Nathalie Becquart sagte vor Journalisten, dass die Kontinentalversammlungen das "innovativste Element" der Weltsynode gewesen seien. Nach einer ersten Befragung der Weltkirche, hatte der Vatikan bei bisherigen Synoden ein Vorbereitungsdokument erstellt und den Bischöfen übermittelt. 

Die Synodenplaner entschieden sich, in einer kontinentalen Phase dieses Dokument noch einmal an die Ortskirchen zurückzugegeben. Durch diese Zirkularität wolle man die "Achtung der Akteure des synodalen Prozesses" garantieren, erklärte Synodenchef, Kardinal Mario Grech, das neue Vorgehen. Die Ortskirchen wurden dabei aufgefordert, das vom Synodensekretariat erstellte Dokument noch einmal zu lesen und dabei rückzumelden, ob es den synodalen Horizont, der sich in den Teilkirchen des jeweiligen Kontinents herausgebildet habe, abbilde. Wichtig war dabei vor allem das Einordnen des Zusammengefassten in den jeweils spezifischen Kontext. Der Vatikan bat dabei auch um kritische Anmerkungen.

Seit einigen Tagen sind alle sieben kontinentalen Schlussdokumente veröffentlicht. Sie zeugen von der Diversität der unterschiedlichen Kulturen und den verschiedenen Debattenschwerpunkten. Katholisch.de hat sich die Papiere angeschaut und sie zusammengefasst.

Naher Osten: Synodale Kirche für das Diakonat der Frau

Die Kirchen im Nahen Osten haben eine besondere Beziehung zur Synodalität. Überschrieben ist das Abschlussdokument daher auch mit einem Zitat des Kirchenvaters Johannes Chrysostomos: "Synodalität ist der Name der Kirche". Bei der kontinentalen Versammlung in Harissa im Libanon kamen vor allem Vertreter der katholischen Ostkirchen zusammen: Kopten, Maroniten, Melkiten, Syrer, Chaldäer und Armenier waren neben den Vertretern der lateinischen Westkirche an der Kontinentalversammlung beteiligt. In den Ostkirchen ist Synodalität traditionell das kirchliche Organisationsprinzip: Bischofssynoden beschließen, wählen, beraten und gestalten so das Geschick der jeweiligen Kirche. Diese Tradition hält das Abschlussdokument hoch. Es spart aber auch nicht mit Kritik daran, wie diese Synodalität tatsächlich gelebt wird. Die Synoden sollen stärker geistliche Prozesse werden, die das ganze Volk Gottes einbeziehen, als sich nur auf die Verwaltung zu konzentrieren. Zugleich soll Laien größere Verantwortung vor allem im Bereich von Verwaltung, Finanzen und Mitverantwortung übertragen werden.

Das Umfeld der Kirchen des Nahen Ostens zeichnet das Dokument als Überlebenskampf in einer "von Egoismus und Abschottung geprägten Welt", der durch die politische Lage und bewaffnete Konflikte in der Region noch verschärft wird: "Die Kirchen des Nahen Ostens sind aus dem Schoß von Leid und Verfolgung entstanden, und ihre Geschichte wurde mit Blut geschrieben." Frieden, Einheit und Versöhnung spielen daher eine wichtige Rolle, aber auch die Sorge vor religiösem Extremismus und der Unterdrückung von Christen durch Muslime. Der Stellenwert von Dialog und Verständigung wird betont, auch wenn bisherige Anstrengungen mühsam verlaufen sind.

Bei den innerkirchlichen Reformthemen fällt vor allem die deutliche Sprache zur Rolle von Frauen in der Kirche ins Auge. "Jede Form des Ausschlusses von Frauen von der Teilnahme am kirchlichen Leben, insbesondere an der Ausarbeitung kirchlicher Entscheidungen, sollte aufgegeben werden", heißt es im Abschlussdokument. Die Kirchen sollten beginnen, "ernsthaft über die Wiedereinführung des Diakonats der Frau nachzudenken". Damit folgen die unierten Ostkirchen Überlegungen in orthodoxen Kirchen.

Kontroversen gibt es um die Liturgie, die in den Ostkirchen anders als in der lateinischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanum nicht  einschneidend verändert wurde. Forderungen, "liturgischen Puritanismus" aufzugeben und die Liturgie an neue Realitäten und Kontexte anzupassen, werden ebenso aufgeführt wie die Konflikte, die aus liturgischen Reformdiskussionen erwachsen.

Das Abschlussdokument aus dem Nahen Osten schließt mit drei Prioritäten für die Weltsynode: Die Unterstützung der Teilkirchen, ein harmonisches Verhältnis von Einheit und Vielfalt zu finden und die Besonderheit der einzelnen Kirchen zu bewahren, die Strukturen der Verbindung zwischen Rom und den Ostkirchen zu präzisieren und schließlich Strukturen und Werkzeuge zu finden, wie Synodalität im Leben der Kirche verwirklicht werden kann.

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Europa: Spannungen und vorsichtige Wünsche

Die Vielfältigkeit der Kirche in Europa ist ein Reichtum, hält das Abschlussdokument des europäischen Kontinentaltreffen in Prag (5. bis 11. Februar 2023) fest. Doch diese Vielfalt führt auch zu Spannungen, was klar benannt wird: "Unsere Arbeit war reichhaltig und spannend, wenn auch nicht ohne Probleme und Schwierigkeiten." Das Papier macht eine Bestandsaufnahme der Situation der Kirche in Europa und der Debatten, die in ihr geführt werden – auch zu Themen wie der Weihe von Frauen oder zur Inklusion der Formen von Liebe und Sexualität, die der kirchlichen Morallehre nicht entsprechen.

Bei der Beschreibung, in welchen Kontext die Kirche in Europa eingebettet ist, spricht das Papier von den "Wunden", die der kirchliche Missbrauchsskandal verursacht hat. Es würdigt die Vielfalt des kirchlichen Lebens in Europa, die jedoch auch Konflikte erzeuge – zwischen Ost- und Westeuropa, aber auch zwischen Ländern mit einer starken katholischen Tradition und solchen, in denen Katholiken seit Jahrhunderten eine Minderheit bilden. Und es spricht nicht zuletzt vom "Phänomen der Säkularisierung". Dabei hält es fest, dass eine negative Haltung, die die Welt und die Gesellschaft verurteilt, unfruchtbar sei: "Wir haben der Welt viel zu bieten, aber wir haben auch viel von ihr zu empfangen. Die Offenheit gegenüber der Welt kann uns helfen, das Evangelium besser zu verstehen" (16).

"Einheit in der Vielfalt"

Das europäische Dokument betont die Wichtigkeit, "Einheit in der Vielfalt" zu wahren und "der Versuchung der Uniformität" zu entgehen. Generell sei das Thema der Beteiligung von Frauen bei der Prager Versammlung sehr präsent gewesen, da sich die Beiträge praktisch aller Delegationen damit befasst hätten (46). Einigkeit besteht darüber, dass Synodalität institutionalisierte Formen braucht. Sie sei ein Weg, "die Kirche weniger klerikal, kalt und bürokratisch zu machen, wie es einige, vor allem junge Menschen, fordern" (50). Mehrfach ist in dem Dokument davon die Rede, dass es eine Versammlung wie die in Prag – also eine auf gesamteuropäischer Ebene – künftig turnusmäßig geben sollte. Beim Thema Umgang mit marginalisierten Gruppen und deren Wunden nimmt das Dokument auch LGBT-Personen in den Blick: "Eine Reihe von Delegationen äußert den dringenden Wunsch, etwas zu unternehmen, denn viele Menschen und Gruppen fühlen sich in unserer Kirche abgelehnt, herabgewürdigt und diskriminiert, oft leider auch zu Recht. Sie wünschen sich sichere Begegnungen und einen ehrlichen Dialog auf Augenhöhe" (40).

Gerade im 3. Kapitel des Papiers werden die angesprochenen Spannungen klar benannt. Zunächst geht es um das Thema "Wahrheit und Gnade" – oder mit anderen Worten: Lehre und pastorale Praxis. "Man erkennt die Dringlichkeit einer wirklichen Nähe zu all jenen, die arm, ausgegrenzt, Opfer von Ungerechtigkeit und Vorurteilen sind und deren Würde mit Füßen getreten wird", heißt es einerseits. Doch gleichzeitig wird die Gefahr gesehen, "dass dies zu einer Verwässerung der Forderungen des Evangeliums führen könnte, während die Kirche die christliche Wahrheit authentisch und klar vermitteln muss" (55).

Wenn es um das Thema Mitverantwortung aller Gläubigen in der Kirche geht, spricht das Dokument wertschätzend von der Beteiligung an der Leitung der Kirche auf allen Ebenen als eine der sichtbarsten Erscheinungsformen des gemeinsamen Priestertums und der Synodalität (73). Doch während es etwa aus Belgien heißt, es gebe den Wunsch nach einer synodalen Kirche ohne klerikale Unterschiede in der Ausübung aller Ämter, heißt es aus Ungarn, dass die Einbeziehung der Laien eine Möglichkeit sei, die Sendung der Ordinierten zu ergänzen, aber nicht zu ersetzen.

Weiheamt für Frauen mit unterschiedlicher Relevanz

Wenig später wird auch die Frage nach einer Öffnung der Zugangsvoraussetzungen für das Weiheamt behandelt. Hier zeigt sich, dass diese Frage je nach Land eine unterschiedliche Relevanz hat, was auch an einigen Beispielen belegt wird: Während die Frage nach dem Frauenpriestertum mancherorts kein großes Thema sei, werde sie anderswo als Voraussetzung für eine fruchtbarere Kirche in Europa betrachtet (76). Eine Übereistimmung zeige sich aber in dieser Thematik: "Förderung der echten und wirksamen Mitverantwortung des Gottesvolkes, Überwindung des Klerikalismus" (77). Dabei gehe es nicht nur um den Platz der Frauen in der Kirche, sondern um ein Verständnis für die Vielfalt der Ämter als Ausdruck des synodalen Charakters der Kirche.

So formuliert das Prager Abschlussdokument die europäischen „Prioritäten“ (92) für die Weltbischofssynode, die das DCS von jeder kontinentalen Zusammenkunft verlangt, auch ziemlich vorsichtig. Es betont die Notwendigkeit, konkrete und mutige Entscheidungen über die Rolle der Frau in der Kirche und über ihre stärkere Beteiligung auf allen Ebenen, auch an Entscheidungsprozessen, zu treffen. Es formuliert den Wunsch, Formen für eine synodale Autoritätsausübung zu erkunden. Und es richtet an die Synode die Bitte, Kriterien zu bestimmen, welche Entscheidungen auf welche Ebene der Kirche gehören – von der lokalen bis zur universalen.

Hinweis: Dieser Text ist die Kurzversion eines am 20. April 2023 auf katholisch.de veröffentlichten Artikels.

Bild: ©KNA/Björn Steinz

Teilnehmer unterhalten sich im Sitzungssaal der Europa-Etappe der Weltsynode am 7. Februar 2023 in Prag (Tschechien). An der Wand im Hintergrund hängt das Logo der Weltsynode.

Asien: Eine "grüne" Kirche werden

Die asiatische Zusammenfassung betont lokale Disparitäten. Sie benennt großen Wohlstand, aber auch extreme Armut. Verschiedene politische Systeme forderten die Kirche heraus. Daraus ergebe sich in einigen Teilen Asiens massive Christenverfolgung. Zu den Herausforderungen Asiens gehörten politische Unterdrückung, diktatorische Regierungen, Korruption und ungerechte Gesetze. "In Extremsituationen sind falsche Blasphemie-Anschuldigungen und Terror die Hauptprobleme, mit denen Christen konfrontiert sind."

Mehr Inklusivismus innerhalb der Kirche sei notwendig. Synodalität fordere die Kirche in Asien auf, "gemeinsam zu gehen", trotz einiger Widerstände. Die Zusammenfassung thematisiert die Ausgrenzung Indigener. "Die Kirche muss auch die Stimme der Armen sein. Es gibt Zeiten, in denen die Kirche über die Notlage und den Schrei der Dalits, Stammesangehörigen, indigenen Völker und Armen schweigt."

Frauenfrage in Asien

Auch die Kirche Asiens formuliert "eine tiefe Besorgnis über die mangelnde Einbeziehung von Frauen in Leitungs- und Entscheidungsprozesse in der Kirche. Frauen im geweihten Leben, obwohl sie sich für die verschiedenen Ämter der Kirche engagieren, erleben ein Gefühl der Entfremdung, deren Stimmen in den politischen Entscheidungen der Kirche oft nicht ausreichend gehört werden." Es bestehe Bedarf, die kirchlichen Leitungsstrukturen zu erneuern und eine "sinnvolle Beteiligung von Frauen" zu ermöglichen.

Eine Problematik dabei seien kulturelle Unterschiede und die traditionellen patriarchalen Strukturen asiatischer Gesellschaften. Die Rolle der Frau werde oftmals als zweitrangig angesehen. Einige Länder berichteten jedoch, dass Männer sich nicht in der Kirche engagierten und unter diesen Umständen Frauen Führungsrollen übernähmen.

Schutz von Minderjährigen

In Asien werde nur wenig über den Schutz Minderjähriger und Schwacher reflektiert. Das spiegle sich auch in der geringen Anzahl gemeldeter Missbrauchsfälle wider. Das habe kulturelle Gründe, heißt es im Dokument. Es sei notwendig, eine Kultur des Schutzes in der Kirche auf allen Ebenen zu entwickeln und zu pflegen. Dies müsse in der Ausbildung aller kirchlichen Persönlichkeiten Vorrang haben.

Es gebe in der Kirche Spaltung – zwischen allen Ständen. Viele Probleme entstünden, wenn Ausübung von Macht von Rechenschaftspflicht und Transparenz getrennt werde. Daher fordert der asiatische Bericht Teilhabe an Entscheidungsprozessen: "Es wurde festgestellt, dass an einigen Stellen die kollaborative Verantwortung im Entscheidungs- und Entscheidungsprozess fehlte. Die Stimmen der Minderheit und sogar der Laien werden in diesem Prozess nicht berücksichtigt." Manchmal gebe es, selbst in den vom kanonischen Recht vorgeschriebenen Strukturen, nur oberflächlichen Dialog und einen Mangel an Konsultation.

Die Forderung nach Rechenschaftspflicht und Transparenz wird nicht nur für Finanzangelegenheiten erhoben, sondern auch in Entscheidungsprozessen und der Kirchenleitung. Dies könne die Revision einiger Bestimmungen des kanonischen Rechts erforderlich machen, so der asiatische Bericht.  

Inkulturation der Liturgie

Auch die Liturgie müsse überdacht werden. Der Bericht betont auf vielfältige Weise das Bedürfnis nach mehr Lebendigkeit von Gottesdiensten. Menschen des asiatischen Kulturkreises wünschten sich "Texte, die sie verstehen können; Musik, die sie singen können, und Rituale, mit denen sie sich identifizieren können." Gebet und Anbetung müssten die Herzen des asiatischen Volkes widerspiegeln und berühren. Liturgische Feiern müssen "synodaler" werden: "partizipativ, inkulturiert, zuordenbar und gesellig". Jeder solle einen sicheren Raum finden, um Gott anzubeten. "Die Integration der Kultur in das Leben und den Gottesdienst der Kirche muss auch das Leben der Gläubigen beseelen."

Desweiteren betont der Bericht die Brisanz des Klimawandels und das Bedürfnis "insbesondere der Ärmsten" die Umwelt zu erhalten. Die Kirche sei berufen, "eine grüne Kirche zu werden und in Solidarität und Respekt zu leben, die Einheit der ganzen Schöpfung Gottes zu schützen, zu verteidigen und zu pflegen."  Umweltbesorgnis sei nicht nur ökologisch, sondern habe auch eine spirituelle und soziale Dimension.

Zwischen den beiden Bischofsversammlungen in Rom 2023 und 2024 regt die asiatische Kontinentalversammlung eine weitere Kontinentalberatung an

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Nordamerika: Jugendliche müssen zu Wort kommen

Das nordamerikanische Synodendokument formuliert die Sorge, dass die Jugend bei der römischen Bischofsversammlung überhört werde. "Wir sind besorgt, dass junge Menschen nicht mit am Tisch sitzen, und wir fragen uns, wie sie in Rom vertreten sein werden", heißt es in dem Dokument. Oftmals sei in den Beratungen zur Sprache gekommen, dass Jugendliche weder in den Pfarreien noch bei der Weltsynode eine Rolle spielten.

Die Bischöfe konstatieren starke Spannungen in der Kirche. "Der synodale Prozess der Unterscheidung in Nordamerika hat gezeigt, dass die Kirche, wie die Gesellschaft, Polarisierung und einen starken Sog in Richtung Fragmentierung erlebt." Dies sei ein Hauptthema der diözesanen, nationalen und kontinentalen Phasen der Synode gewesen. Eine erhebliche Bedrohung für die Gemeinschaft innerhalb der Kirche sei fehlendes Vertrauen zwischen Bischöfen und Laien, aber auch zwischen dem Klerus im Allgemeinen und Laien. "Einer der größten Spannungsbereiche in Nordamerika ist die Krise des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche und ihre Auswirkungen, die zu einem Vertrauensverlust geführt haben, der nicht überbewertet werden kann", heißt es in dem Dokument.

Frauen, Minderheiten und LGBTQ

Zudem nennt das Dokument verschiedene Themenfelder, die eine Rolle bei der Bischofsversammlung im Herbst spielen sollten. Unter anderem müsse die Kirche weiter Synodalität lernen, neue Formen der Mitverantwortung finden und eine größere Offenheit gegenüber Ausgegrenzten zeigen. Begründet werden diese Forderungen durch die gemeinsame Taufwürde der Christen. Zu den Gruppen, die während der kontinentalen Etappe benannt wurden, gehörten "Frauen, junge Menschen, Einwanderer, ethnische oder sprachliche Minderheiten, LGBTQ+-Personen, Menschen, die geschieden und ohne Annullierung wiederverheiratet wurden, und solche mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen." Während die Gründe, die Kirche als abweisend zu erleben, unterschiedlich seien, "ist das Bedürfnis der Kirche gemeinsam, die Taufwürde eines jeden authentisch gerecht zu werden", heißt es in dem Dokument.

Vor allem Frauen sollten eine größere Präsenz in der Kirche bekommen. "Ein häufig zu hörender Ruf war, dass 'mehr Raum für sie geöffnet werden muss, insbesondere an den Entscheidungstischen'" Die Kirche sei ermutigt worden, "die Rolle der Frau anzuerkennen, zu erkennen und zu fördern ... damit sie eine größere Präsenz in der Kirche haben".

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Lateinamerika und Karibik: Bischofsamt in synodaler Kirche verankern

Eine Hauptsorge der Kirche Lateinamerikas und der Karibik gilt der konkreten Umsetzung der von Papst Franziskus geforderten Synodalität. Mit der Gründung des lateinamerikanischen Bischofsrats, der CELAM, im Jahr 1955 legte die Partikularkirche bereits vor Jahren mit einer Kontinentalsynode der Bischöfe vor, was das Abschlussdokument der jetzigen Versammlung auch nicht müde wird zu betonen. 

Die Beteiligung von Laien an dieser Synodalität scheint allerdings ein weitaus schwierigeres Thema zu sein: "Wir lernen, dass wenn das Amt der Bischöfe nicht in einer synodalen Kirchlichkeit verankert ist, es verarmt, weil es nicht von den Früchten eines breiten Austauschs profitiert und sich bedroht fühlt, als ob Synodalität eine Demokratisierung sei, welche die hierarchische Struktur der Kirche aufhebt." (96) Wie das gelingen soll, formuliert das Papier lediglich als Frage für die Zukunft. 

Auch wenn immer wieder die "gemeinsame Würde aller Getauften" (35) betont wird, geht dies nie ohne die Betonung der Bischofswürde einher, deren Aufgabe darin bestehe, das Gottesvolk auf dem gemeinsamen Weg "zu begleiten und anzuleiten" (36). 

Deutliche Worte findet hingegen die Partikularkirche Karibik: "Wir brauchen einen strukturellen Weg, der uns de-installiert. Wir brauchen Flexibilität, Dialog, Toleranz, Anerkennung, Respekt. Nicht neuen Wein in alten Fässern" (38). 

Die Frauenfrage und der Zölibat 

Was die aktuelle Rolle der Frau in der Kirche angeht, scheint man sich eher unschlüssig zu sein. Einigen Stimmen zufolge würden Frauen bereits erfolgreich in für Laien offenen Gremien integriert. Andere wiederum hätten "das Gefühl, dass Frauen 'billige Arbeitskräfte' der Kirche" (86) seien. 

Für die Zukunft entsteht daraus aber eine deutliche Forderung: Zur Einführung des Frauendiakonats wird das Argument der gelebten Glaubensrealität angedeutet; es sei in Betracht zu ziehen "unter der Berücksichtigung, was in verschiedenen Gemeinden schon gelebt wird" (86).  

Außerdem fordert das Papier die Prüfung der "Nützlichkeit des Zölibats und seine Beziehung zum priesterlichen Leben" (91). Abschließend wird zu dem Themenblock Frauenpriestertum und Zölibat eine Revision der gesamten Theologie des Ämterprofils gefordert wird, auch unter Einbeziehung des Priesterbegriffs, sowie "der Öffnung mancher Ämter für Frauen" (92). 

Gemeinsam mit der Zölibatsfrage greifen die Bischöfe erneut die bei der Amazonassynode bereits besprochene Frage der Viri probati auf. 

Menschen am Rand der Gesellschaft 

Auch weitere Themen der Amazonassynode nimmt das Papier wieder auf: Besonders die Südregionen und Bolivien betonten die fehlende Unterstützung der indigenen Bevölkerung im Amazonasraum durch die Kirche. 

Aber auch denjenigen, "die auch in unserer Kirche" (65) ausgegrenzt seien, müsse man sich zuwenden. Hier ist die Rede von Menschen des LGBTQ-Spektrums, Paaren in zweiter Ehe, Priester in neuen Lebenslagen und "Frauen, die aus Angst abgetrieben haben" (65). Worin das "inklusiv sein" (65) genau bestehen soll, wird allerdings nicht benannt. 

Kompetenz 

Besonders spannend sind die auch die von der CELAM formulierten abschließenden Fragen, die nicht nur einen Rahmen für die Zusammenarbeit von Laien und Klerus suchen, sondern auch nach "dem Wert der Erkenntnisse der Kontinentalsynode" (100) und deren Kompetenzen fragen. "Hätten diese [Erkenntnisse] nicht einen größeren Wert und mehr Akzeptanz, wenn sie als Orientierung und Richtlinien für das Gottesvolk einer Region […] präsentiert würden?" (100).

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Afrika und Madagaskar: Kritische Anfragen an den Synodenprozess

Das afrikanische Kontinentaldokument unterscheidet sich deutlich von den anderen Dokumenten. Es formuliert wie kein anderes kritische Anfragen an den Synodenprozess. Im Zuge der kontinentalen Phase habe es in Afrika Zurückhaltung gegeben, da einige den Eindruck hatten, die Arbeit der diözesanen und nationalen Versammlungen zu wiederholen. Die Idee Synodalität mit der Zeltmetapher zu beschreiben, fand im afrikanischen Kontext wenig Verständnis. "Das Bild des Zeltes als Hauptbild für die Synodalität wurde von vielen heftig bestritten, die es mit Kriegsführung, Vertreibung und Flüchtlingssituationen in Verbindung bringen." Man bevorzuge daher das Bild der Familie Gottes, in der jeder seinen Platz und seine Verantwortung gemäß den "Familienwerten" habe – obwohl es keinen Konsens gebe, worin diese Werte bestünden.

Das Dokument skizziert ein Spannungsverhältnis zwischen einem starken Wahrheitsverständnis und dem Prinzip der Barmherzigkeit; zwischen der Zugehörigkeit zur Kirche und dem Nichtleben als vollwertiges Mitglied der Kirche; zwischen Autonomie und Mitverantwortung. "Wie gehen wir damit um?", fragen die Autoren.

"Führt uns das nicht zur Demokratie?"

Es stelle sich die Frage, wohin Synodalität führe, wenn auf die Stimmen verschiedener Menschen gehört werde: "Führt uns das nicht zur Demokratie?" Der Grat zwischen Dialog, Zuhören und Entscheidungsfindung und der Herrschaft der Mehrheit sei schmal. Zudem seien die Kriterien für Unterscheidung und Urteil bei der Weltsynode unklar, kritisiert die Kontinentalversammlung.

Bei der Bestimmung kirchlicher Lehren sollten christliche Stimmen und Werte stärker berücksichtigt werden. Werte wie Familie, Solidarität, gemeinschaftliches Leben, ehrfürchtiger Dialog, Gastfreundschaft und Mitverantwortung spielten dabei eine entscheidende Rolle. "Afrikaner haben die gleiche Verantwortung für die Lehren und Lehren der Kirche in Zusammenarbeit mit anderen Ortskirchen (Eph. 2,19)". Dementsprechend sei es von größter Bedeutung, dass ihre Erfahrungen und sich ständig weiterentwickelnden kulturellen Werte berücksichtigt und ihre Probleme immer gleichermaßen berücksichtigt werden.

Synodalität müsse auch Inkulturation und liturgische Erneuerung einschließen. Inkulturation trage dazu bei, dass der Glaube im Leben und in der Praxis der Menschen verwurzelt werde. Der Gottesdienst sei in Afrika eine integrale Erfahrung, die den ganzen Menschen einbeziehe. Die gegenwärtige Art und Weise, Liturgie zu feiern, lasse viele Afrikaner unerfüllt. "Eine synodale Kirche sollte das Wesen der Afrikaner berücksichtigen, eine partizipativere Liturgie zu haben, die im Einklang mit authentischer liturgischer Theologie und Lehre steht."

Ökologische Gerechtigkeit und Naturschutz

Zudem sollten ökologische Gerechtigkeit und Naturschutz eine Lebensweise der synodalen Kirche werden. "Der Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung für die ganze Welt, und die Kirche ist nicht von der Welt getrennt." Afrika trage die Hauptlast der aktuellen Klimakrise, obwohl es am wenigsten dazu beitrage. "Die Kirche sollte weiterhin mehr tun, um Lösungen zu finden und innovative Strategien zu entwickeln, um auf diese dringende Krise als integralen Bestandteil ihrer Sendung zu reagieren."

Während das Dokument die "Herausforderungen zerbrochener Ehen, die auf traditionellen Praktiken beruhen, die durch christliche Werte und andere sozioökonomische Faktoren nur schwer zu verändern sind" und Polygamie als Probleme der afrikanischen Kirche benennt, kommt anders als in allen anderen Dokumenten die Frage nach LGBTQI-Christen nicht zu Wort.

Themen wie Inklusivität, Transparenz und die Frauenfrage spielen jedoch auch auf dem afrikanischen Kontinent eine große Rolle.

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Ozeanien: Keine neue Kirche bauen, aber erneuern

Zwischen den einzelnen Ländern Ozeaniens gibt es große kulturelle und soziale Unterschiede – das spiegelt sich auch in der katholischen Kirche dieser Region wider. Das Abschlussdokument beschreibt eine große Kluft und manche Konflikte zwischen Arm und Reich sowie den verschiedenen Ethnien, selbst innerhalb der Gemeinden: "Verschiedene Rassen konkurrieren um die Vorherrschaft in den Pfarreien, was es für rassische Minderheiten fast unmöglich macht, sich zu beteiligen", heißt es unverblümt. Die Armen, die sich keine anständige Kleidung leisten können, würden verachtet. "Manche fühlen sich unerwünscht, weil sie nicht zur herrschenden Clique in der Gemeinde gehören." Und Neuankömmlinge in den Gemeinden hätten das Gefühl, dass sie in der Kirche nicht mithelfen könnten, "da sie von ausgewählten Familien übernommen wird".

Auch darüber hinaus räumt die Kirche in Ozeanien Spannungen ein. Dazu gehören unterschiedliche Haltungen zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, zur Rolle der Frauen in der Kirche und verschiedene Ansichten über die Möglichkeit einer Veränderung der kirchlichen Lehre. "Einige Stimmen in den Antworten fordern eine Veränderung der kirchlichen Lehre im Sinne eines 'sterbenden und auferstehenden' Zyklus", heißt es aus Neuseeland. Die Vertreter der in Ozeanien beheimateten Vertreter der katholischen Ostkirchen hingegen betonten die Notwendigkeit,–die Lehre beizubehalten und "eine Ausbildung in der unveränderlichen kirchlichen Lehre der Gegenwart anzubieten".

Das Papier spricht auch von Spannungen beim Verständnis von Inkulturation. "Einige betrachten die Traditionen der Weltkirche als eine Art Auferlegung auf die lokale Kultur und sogar als eine Form von Kolonialismus. Andere sind der Ansicht, dass Gott in jeder Kultur gegenwärtig ist und dass jede Kultur bereits christliche Wahrheiten zum Ausdruck bringt. Eine andere Ansicht ist, dass Christen einige vorchristliche kulturelle Praktiken nicht übernehmen und anpassen können. Wenn zum Beispiel ein Priester die Symbolik des Häuptlings eines Dorfes annimmt, wird der Priester zu einem Symbol der Macht und nicht des Dienstes", heißt es.

Größerer Fokus auf ökologische Krise

Auch Lücken in dem vom Vatikan herausgegebenen Arbeitsdokument für die kontinentale Phase werden festgestellt: Die ökologische Krise, einschließlich der Bedrohung durch den Anstieg des Meeresspiegels und der Umwelt- und Meereszerstörung in Ozeanien, die auch in anderen Teilen der Welt zu beobachten ist, werde nicht ausreichend berücksichtigt.

Außerdem heißt es, dass die anhaltenden Auswirkungen der Missbrauchskrise des sexuellen Missbrauchs im vatikanischen Arbeitsdokument nicht deutlich angesprochen worden seien. "Während der Dauer der von Papst Franziskus im April 2021 eingeleiteten Synodenreise gab es weitere schädliche Enthüllungen über den falschen Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch innerhalb der Kirche", heißt es. Es müsse darüber nachgedacht werden, ob die bestehenden kirchlichen Strukturen einen angemessenen Schutz und eine gerechte Wiedergutmachung behindern oder ermöglichen.

"Wir wollen nicht eine andere Kirche aufbauen, sondern die Kirche, die wir lieben, erneuern und wiederbeleben", so die Bischöfe aus Ozeanien. Diese Erneuerung solle mit der persönlichen Bekehrung beginnen, müsse aber auch gemeinschaftliche und strukturelle Formen annehmen. "Eine erneuerte und synodale Kirche versucht, niemanden zurückzulassen. In einer solchen Kirche werden wir gemeinsam gehen und uns gegenseitig lieben."

Von Carina Adams, Matthias Altmann, Benedikt Heider und Felix Neumann