Im Vatikan startet die erste Vollversammlung der Bischofssynode zur Synodalität

Weltsynode trifft sich in Rom: Ablauf, Themen und Probleme

Veröffentlicht am 04.10.2023 um 00:01 Uhr – Von Benedikt Heider – Lesedauer: 

Bonn ‐ Seit zwei Jahren läuft die Bischofssynode zur Synodalität. Nun erreicht sie einen weiteren Höhepunkt: die Generalversammlung in Rom. Was erwartet die rund 450 Teilnehmenden der Weltsynode? Wie sieht ihr Alltag aus? Und: Wie könnte es bis 2024 weitergehen? Katholisch.de hat alle Infos gesammelt.

  • Teilen:

Seit zwei Jahren wird darauf hingearbeitet – nun geht es los: die 16. Generalversammlung der Bischofssynode startet ihr erstes Treffen in Rom. Dazu kommen mehr als 450 Männer und Frauen zu Beratungen in die Ewige Stadt. Das römische Treffen ist Teil des großen weltweiten synodalen Prozesses, den Papst Franziskus im Herbst 2021 gestartet hat. Sein Thema: Synodalität. Für Papst Franziskus ist das die DNA der Kirche: Sie könne nur synodal existieren. Unter dieser Prämisse begann der Vatikan vor zwei Jahren einen großangelegten Beteiligungsprozess: In Veranstaltungen auf verschiedenen Ebenen der Weltkirche wurden Eingaben gesammelt, Gläubige gehört und Papiere erstellt. Die thematische Vorgabe war stets: Synodalität.

Jedoch förderten schon die Papiere aus den Pfarrgemeinden und Diözesen neben der gewünschten Reflexion auf das synodale Miteinander eine Vielzahl von handfesten Themen und Problemen zu Tage. Die Bischofskonferenzen destillierten daraufhin nationale Zusammenfassungen, aus denen der Vatikan Ende 2022 das sogenannte Dokument für die kontinentale Phase der Bischofssynode erstellte. In ihm tauchte beispielsweise erstmals wertfrei in einem römischen Text der Terminus "LGBT" auf. Ebenso fanden mangelnde Leitungskompetenz des Klerus, die Frage nach der Rolle der Frau, fehlende Glaubensbildung in den Pfarreien, sexueller Missbrauch, Armut, Verfolgung, Klimawandel, Inkulturation der Liturgie und viele andere Themen Platz in der Zusammenfassung.

Ablauf der Bischofssynode zur Synodalität
Bild: ©katholisch.de

Papst Franziskus hat 2021 den weltweiten synodalen Prozess anlässlich der 16. Generalversammlung der Bischofssynode gestartet.

In einem weiteren Schritt versammelten sich bis in den März 2023 Bischöfe und Laien zu sieben Kontinentalsversammlungen. Sie berieten über die Inhalte der römischen Kontinental-Zusammenfassung, diskutierten, ob die Anliegen ihres jeweiligen Kulturkreises ausreichend vom Vatikan berücksichtigt wurden und formulierten Sorgen, Wünsche und Forderungen für das anstehende Bischofstreffen in Rom.

Durch diese Vorbereitungsschleifen sollte laut den Planern die Synode zu einem gesamtkirchlichen Prozess werden und etwas von ihrem einmaligen, exklusiven und allein bischöflichen Ereignischarakter verlieren. Denn bisher waren Synoden Bischofstreffen, denen höchstens eine Befragung der Gläubigen vorausging, wie etwa vor der Familiensynode 2014.

Arbeitspapier: Sexualmoral und Anthropologie auf Metaebene

Im Anschluss an die Kontinentaltreffen bündelte das Synodensekretariat die Reflexionen in einem Instrumentum Laboris (IL, lat.: Arbeitspapier) und identifizierte dazugehörige Fragestellungen in Bezug auf das kirchliche Selbstverständnis. Die bisher genannten Themen wie Sexualmoral und Anthropologie wurden dabei auf das kirchliche Leben und die kirchliche Struktur (Stichwort Synodalität) zugespitzt.

Oktober-Zeitplan der Weltsynode 2023
Bild: ©katholisch.de

Vom 30.9-29.10. findet die erste Vollversammlung der Weltsynode in Rom statt.

Den Auftakt der Bischofssynode bildete ein ökumenisches Gebetstreffen vom 29. September bis 1. Oktober in Rom und dezentral an verschiedenen Orten weltweit. Die Veranstaltung war mit "together" überschrieben, unter anderem nahmen Vertreter von Orthodoxen, Anglikanern und Protestanten teil. An das Treffen schlossen sich Exerzitien der Synodalen an, die vom ehemaligen Generaloberen der Dominikaner, Timothy Radcliffe, und der langjährigen Äbtissin und Theologieprofessorin Maria Ignazia Angelini geleitet wurden.

Die Exerzitien sollten die Synodenväter und -mütter auf die kommenden Wochen einstimmen. In einem der geistlichen Impulse warnte Radcliffe die Versammelten vor zu hohen Ansprüchen und Erwartungen – von innen wie außen: "Die Medien werden wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass alles nur Zeitverschwendung war, nur Worte. Sie werden darauf achten, ob gewagte Entscheidungen zu vier oder fünf brisanten Themen getroffen werden." Zudem versuchte er Ängste vor zu viel oder zu wenig Veränderung zu beschwichtigen. Wenn die Teilnehmer und Teilnehmerinnen bei dieser Synode großzügig gäben, was sie hätten, werde das mehr als genug sein. Radcliffe warnte des Weiteren vor einem Wettbewerb zwischen Laien und Bischöfen, Konservativen und Progressiven in der Synodenaula.

Insgesamt nehmen 464 Personen an der Weltsynode teil. 364 Synodale haben ein Stimmrecht, das ihnen am Ende ermöglicht, über Vorschläge abzustimmen, die dem Papst unterbreitet werden. 54 davon sind Frauen. Aus Deutschland nehmen neben dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing die Bischöfe Bertram Meier (Augsburg), Franz-Josef Overbeck (Essen), Felix Genn (Münster) und Stefan Oster (Passau) an der Weltsynode teil. Ein weiteres DBK-Mitglied bei der Synode ist der Apostolische Exarch für die katholischen Ukrainer des byzantinischen Ritus in Deutschland und Skandinavien, Bischof Bohdan Dzyurakh. Als Berater ohne Stimmrecht nimmt ZdK-Vize und Neutestamentler Thomas Söding teil. Ebenso wurde aus Deutschland Renovabis-Geschäftsführer Thomas Schwartz als Berater berufen. Der deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller nimmt ebenfalls an der Synode teil, wird jedoch als Bürger des Vatikans geführt.

Tagesablauf: Um 8:45 geht’s los

Eine Eucharistiefeier am 4. Oktober um 9 Uhr eröffnet die Weltsynode. Am Nachmittag findet dann die erste Generalkongregation in der vatikanischen Audienzhalle statt. Anders als bisherige Synoden wird die Weltsynode nicht in der vatikanischen Synodenaula stattfinden, sondern in der größeren Audienzhalle.

Die tägliche Arbeitszeit der Weltsynode beginnt um 8:45 Uhr mit einem Gottesdienst, dem schließen sich Arbeitsgruppen oder Generalversammlungen bis 12:30 Uhr an. Nach einer Mittagspause geht es für die Synodenväter und -mütter in eine zweite Arbeitsphase von 16-19:30 Uhr. Für die Synodenarbeit erhalten die Teilnehmenden technische Unterstützung vom Vatikan: Das Synodensekretariat stellt allen Tablets zur Verfügung, mit dem sie Dokumente lesen können, Informationen austauschen und abstimmen werden. Samstagnachmittag und sonntags haben sie frei. In dieser Zeit sind sie eingeladen, römische Pfarreien zu besuchen. Zudem werden Ausflüge und Pilgerfahrten angeboten, die den Teilnehmenden aus aller Welt ermöglichen, Rom und Italien kennenzulernen.

Insgesamt wird es 35 Arbeitsgruppen geben, in denen je 10-12 Synodale mit Stimmrecht sitzen. 14 Gruppen arbeiten in englischer, acht in italienischer, sieben in spanischer, fünf in französischer und eine in portugiesischer Sprache. Eine deutsche Sprachgruppe gibt es im Gegensatz zu früheren Synoden nicht. Während der Generalversammlungen werden die Redebeiträge übersetzt.

Arbeitsweise der Weltsynode
Bild: ©katholisch.de

Gebet, Vorträge, Reden, Präsentation, Zusammenfassungen: jede Arbeitseinheit der Weltsynode in Rom ist gleich aufgebaut.

Thematisch werden die Teilnehmenden vier Themenkomplexe bearbeiten: Vom 4.-7. Oktober stehen grundsätzliche Reflexionen zur Synodalität auf dem Programm. Zwischen dem 9. und 21. Oktober widmen sich die Synodalen in drei Themenbereichen der Gemeinschaft, Mission und Partizipation in der Kirche. Dabei geht es um das Verhältnis der Kirche zur Welt, der Verantwortung der Kirche und Strukturen der Kirche. Um sich den Themen anzunähern, hat das Synodensekretariat Arbeitsblätter mit Leitfragen veröffentlicht, die sich auch im Instrumentum Laboris finden.

Die einzelnen Themenblöcke sind jeweils gleich aufgebaut: Nach einer thematischen Einführung gibt es Vorträge. Anschließend tauschen sich die Teilnehmenden in Arbeitsgruppen aus, unterbrochen von gemeinsamen Gebeten und der Vorstellung der Ergebnisse im Plenum. In den Kleingruppenphasen sind Wortmeldungen weniger Minuten vorgesehen. Die Arbeitsweise der "Spirituellen Konversation" (Abwechslung von Redebeiträgen, Gebet ohne direkte Interaktion) ist einigen Teilnehmenden von den Kontinentalversammlungen bekannt.

Abschließend berät die Versammlung vom 23.-28. Oktober weitere Schritte bis zur zweiten Vollversammlung im Oktober 2024. Die Synode sei ein Prozess im Werden, betonen die Synodenplaner rund um Kardinal Mario Grech immer wieder. Zuletzt erklärte Kardinal Jean-Claude Hollerich, dass die römische Versammlung der Bischofssynode Ende Oktober 2023 entscheide, wie es bis zur nächsten Versammlung im Oktober 2024 weitergehe. Es ist davon auszugehen, dass es erneut Kontinentalversammlungen geben wird. Dies würde dem Wunsch vieler Ortskirchen entsprechen, den sie in ihren Eingaben an das Synodensekretariat formuliert haben.

Gibt es noch eine weitere Kontinentalversammlung?

Diese Kontinentalversammlungen wurden zuletzt vom Synodensekretariat immer wieder als "Kirchenkonferenzen" bezeichnet, eine Nomenklatur, die es zurzeit zur Probe in Lateinamerika (CEAMA-Kirchenkonferenz) gibt und womöglich die Institution der Bischofskonferenz ablösen oder grundlegend verändern könnte. Auch diese Frage hat die Weltsynode im Portfolio.

Während in der Audienzhalle über die Struktur der Kirche diskutiert und gebetet wird, haben eine Vielzahl von Interessengruppen, Hilfswerke und Initiativen Tagungen, Vorträge und Aktionen in Rom angekündigt. Neben Gebetsaktionen werden auch verschiedenste Protestaktionen erwartet. Zudem füllen sich die Kalender der Synodalen mit Vernetzungstreffen in Botschaften und römischen Institutionen.

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Schon im Vorfeld der Synode gibt es einige Kritik an der Weltsynode. Die pointierteste innerhierarchische Kritik an Franziskus' Synodalitätsplänen formulierte der verstorbene Kurienkardinal George Pell: "Keiner der Synodalteilnehmer, Laien, Ordensleute, Priester oder Bischöfe, ist mit der Synodalregel gut gestellt, dass keine Stimmabgabe erlaubt ist und keine Vorschläge gemacht werden können." Damit bezog er sich auf das Abstimmungsprocedere, dass letztlich nur über Vorschläge abstimmt werde, die dem Papst vorgelegt werden. Er selbst könne dann tun, was er wolle. Das sei Missbrauch der Synodalität, wetterte der Kurienkardinal wenige Tage vor seinem Tod.

Ebenfalls kritisiert Kirchenrechtler Norbert Lüdecke den Anschein, Synodalität habe auch nur im Entferntesten etwas mit demokratischer Mitbestimmung zu tun. Der Kirchenrechtler spricht von "symbolischer Partizipation" und "Demokratieersatz", die letztlich zu Frustration und Ermüdung des Kirchenvolkes führten. Ähnlich äußerte sich jüngst Kirchenhistoriker Hubert Wolf.

Unterschiedliche Synodalitätsvorstellungen

Der Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, merkte an, dass es in Deutschland und Rom grundverschiedene Vorstellungen von Synodalität gebe: "Der Papst versteht darunter ein breites Sammeln von Impulsen aus allen Ecken der Kirche, dann beraten Bischöfe konkreter darüber, und am Ende gibt es einen Mann an der Spitze, der die Entscheidung trifft. Das halte ich nicht für die Art von Synodalität, die im 21. Jahrhundert tragfähig ist", sagte Bätzing.

Knackpunkt des Prozesses ist seine thematische Offenheit. Während liberale Kräfte die Sorge formulieren, dass "heiße Eisen" am Ende von der Agenda fallen könnten, da es nur um das doch recht schwammige Oberthema "Synodalität" gehen solle, laufen konservative Kräfte Sturm gegen die Weltsynode. Es ginge dabei um nicht weniger als um die "Zerstörung der katholischen Kirche", warnte Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller mit Blick auf mögliche Diskussionen über Kirchenstruktur, Amt und Sexualmoral. Rom steht vor einem spannenden Oktober.

Von Benedikt Heider

Das Arbeitspapier der Bischofssynode

Im Arbeitspapier der Weltsynode sind die Ergebnisse der bisherigen Konsultationen zusammengefasst. Zudem sind dort die Arbeitsblätter und Leitfragen der Synodenversammlung im Oktober 2023 nachzulesen.