Vatikan stellt Arbeitsdokument der Bischofssynode zur Synodalität vor

Weltsynode: Vorspiel eines Konzils? Das steht im Instrumentum Laboris

Veröffentlicht am 21.06.2023 um 00:01 Uhr – Von Benedikt Heider – Lesedauer: 

Bonn ‐ Welcher Spielraum existiert für Vielfalt in der Kirche? Mit dieser und anderen Fragen werden sich im Herbst Synodenväter und -mütter in Rom bei der Bischofssynode beschäftigen. Das Arbeitspapier schlägt katholische Pflöcke ein und bietet ungeahnten Sprengstoff.

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Nicht spalten soll es, sondern Verständnis schaffen – Verständnis in einer Kirche, die sich vorgenommen hat, ihre Vielfalt rund um den Globus zu würdigen und zu fördern, "ohne sie in einer Uniformität zu verflachen." Nicht weniger versprechen die Organisatoren der Bischofssynode rund um Kardinal Mario Grech im Vorwort ihres nun vorgestellten Instrumentum Laboris (IL, lateinisch für "Arbeitspapier"). Es soll den Synodenvätern und (erstmals auch) -müttern bei der Vollversammlung der Bischofssynode im Oktober 2023 als Gesprächsgrundlage dienen. Eines der wohl häufigsten Worte darin: Diversität – und das in der römisch-katholischen Kirche, die ihre Einheitlichkeit in Lehre, Liturgie und Erscheinung kultiviert hat, wie keine andere Institution dieser Welt.

Die Veröffentlichung des IL wurde mit Spannung erwartet – nicht zuletzt, da sich seine Veröffentlichung um einige Wochen verzögerte und zwischenzeitlich sogar abgesagt wurde. Rund 50 DIN-A4-Seiten sind es nun geworden. Sie setzen sich aus einer Rückschau auf den bisherigen Synodenprozess; Themen, die sich aus der diözesanen, nationalen und kontinentalen Phase ergeben und präzisen Arbeitsfragen für die Bischofssynode im Oktober 2023 zusammen.

Sorgen und Wünsche vor Bischofsversammlung

Die Bischofsversammlung ist der vorläufige Höhepunkt des 2021 von Papst Franziskus eröffneten Synodenprozesses der Weltkirche zum Thema Synodalität. In einem ersten Schritt – der diözesanen Phase – waren Gläubige und Pfarreien eingeladen, Eingaben an ihre Diözesen zur Lage des Miteinanders in ihren Gemeinden zu machen. Daraus destillierten die Bischofskonferenzen nationale Zusammenfassungen, die Ende 2022 im Vatikan zu einem ersten Dokument zusammengefasst wurden – dem Dokument für die kontinentale Phase. Daraufhin versammelten sich bis März 2023 Bischöfe mit Laien zu sieben Kontinentalsversammlungen. Sie berieten über die Inhalte der römischen Zusammenfassung, diskutierten, ob die Anliegen ihres jeweiligen Kulturkreises ausreichend vom Vatikan berücksichtigt wurden und formulierten Sorgen, Wünsche und Forderungen für das anstehende Bischofstreffen in Rom.

Sowohl die Nationaldokumente als auch das darauf basierende Kontinentaldokument des Vatikan und die Abschlussdokumente der Kontinentalversammlungen thematisierten Probleme der katholischen Kirche: Mangelnde Leitungskompetenz, die Frage nach der Rolle der Frau, Einsamkeit des Klerus, fehlende Glaubensbildung in den Pfarreien, sexuellen Missbrauch, den kirchlichen Umgang mit LGBTQ-Personen, Armut, Verfolgung, Klimawandel, Inkulturation der Liturgie und andere Themen fanden in allen Dokumenten Platz. Dazu kamen regionale Besonderheiten und Schwerpunktsetzungen.

Weltsynode: Das steht in den Antworten der Kontinente an den Vatikan

Die kontinentale Phase der Bischofssynode zur Synodalität ist beendet. Sieben Kontinentalversammlungen haben dabei ihre Wünsche und Vorstellungen an den Vatikan formuliert. Katholisch.de hat einen Blick in die Dokumente geworfen und manche Überraschung gefunden.

Das nun veröffentlichte Instrumentum Laboris bündelt diese Themenvielfalt nun auf einer abstrakten Ebene und identifiziert dazugehörige Fragestellungen in Bezug auf das kirchliche Selbstverständnis. Es mache die vorhergegangenen Dokumente nicht obsolet, sondern ergänze sie, betont das Synodenteam. Die Lektüre des Dokuments verdeutlicht, was damit gemeint ist: Die bisher genannten Themen wurden vom Redaktionsteam auf das kirchliche Leben und die kirchliche Struktur (Stichwort Synodalität) zugespitzt. Während beispielsweise Fragen der Sexualmoral und Anthropologie bisher ausführlichen Raum bekamen, thematisiert das IL sie weniger umfänglich, dafür aber grundsätzlicher mit Blick auf die kirchliche Haltung und den Umgang mit unterschiedlichen Realitäten. LGBTQ und Polyamorie werden jedoch erneut explizit genannt. Aus diesem Grund mahnt das Synodenbüro, nicht nur die Abstraktion des IL zu studieren, sondern auch die Kleinteiligkeit und Buntheit der bisherigen Dokumente im Vorfeld der Synode zu berücksichtigen.

Am weitreichendsten sind mit Abstand die kirchenrechtlichen, ekklesiologischen und amtstheologischen Fragen, die das Dokument aufwirft. Sie lassen ausgiebige Diskussionen zum Verhältnis von Synodalität und Kollegialität im Oktober erwarten. Das IL bringt eine Vielzahl von Kirchenrechtsänderungen in die Diskussion. So erscheine es "ratsam, im Bereich des kanonischen Rechts tätig zu werden, indem das Verhältnis zwischen dem Prinzip der Autorität, das in der geltenden Gesetzgebung nachdrücklich bekräftigt wird, und dem Prinzip der Partizipation neu ausbalanciert wird". Ebenso sollten neue, synodale Gremien geschaffen werden und eine Überwachung der Wirksamkeit geltender Rechtsvorschriften in Betracht gezogen werden. Auch die Frage nach Gewaltenteilung, unabhängigen Kontrollorganen, Verpflichtungen zur Veröffentlichung bestimmter Verfahren und die Begrenzung der Dauer von Amtsperioden werden im Herbst eine Rolle spielen.

Neubestimmung des Verhältnisses von Bischöfen und Papst?

Ebenso brauche es eine theologische und kanonische Reflexion über die lehrmäßige Autorität der Bischofskonferenzen und das Verhältnis von Bischöfen und Papst. Das IL fragt mit Blick auf eine mögliche kirchliche Dezentralisierung explizit: "Inwieweit verpflichtet die Übereinstimmung mehrerer ortskirchlicher Gruppierungen (Partikularkonzile, Bischofskonferenzen usw.) in ein und derselben Frage den Bischof von Rom, diese für die Weltkirche zu übernehmen?" Nicht weniger kontrovers dürfte die Frage nach dem päpstlichen Umgang mit unterschiedlichen Ansichten in der Weltkirche sein: "Wie soll der dem Bischof von Rom anvertraute Dienst der Einheit ausgeübt werden, wenn die örtlichen Instanzen untereinander abweichende Ausrichtungen vertreten? Welcher Spielraum existiert für eine Vielfalt von Ausrichtungen unter den verschiedenen Regionen?"

Ausführlich spielt auch die Stellung der Laien in der Kirche und insbesondere die Stellung der Frau eine Rolle. Die Synodenorganisatoren merken an, dass während der Synodenvorbereitung einige Anfragen formuliert wurden, die lehramtlich schon geklärt schienen. Dass jedoch "weiterhin Fragen zu Themen wie diesen auftauchen", schreiben sie, "erfordert eine Unterscheidung" – dafür sei die Synodenversammlung ein "privilegiertes Forum". Die bisherigen Etappen der Synode seien ein klarer Aufruf, "die Sichtweise zu überwinden, die jede aktive Funktion in der Kirche allein den geweihten Amtsträgern (Bischöfen, Priestern, Diakonen) vorbehält und die Teilnahme der Getauften auf eine untergeordnete Zusammenarbeit reduziert", heißt es im IL. Die Phase des Zuhörens habe zum Bewusstsein "dieser Wirklichkeit" geführt. Nun müsse sie "im Leben der Kirche immer konkretere Verwirklichung finden" – "auch durch Beziehungen der Wechselseitigkeit, Gegenseitigkeit, und der Komplementarität zwischen Mann und Frau."

Eine alt-katholische Diakonin wird in einer Kirche in Rom zur Priesterin ordiniert.
Bild: ©picture-alliance / LaPresse / Mauro Scrobogna

Könnte im Herbst diskutiert werden: die Diakoninnenweihe

Dabei gehe es insbesondere um die Beteiligung und Anerkennung von Frauen und ihrem Wunsch nach einer stärkeren Präsenz in Verantwortungs- und Leitungspositionen. "Frauen, die an der ersten Phase teilgenommen haben, haben den klaren Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass die Gesellschaft und die Kirche Orte des Wachstums, der aktiven Teilhabe und der gesunden Zugehörigkeit für alle Frauen sein sollen." Die Kirche müsse sich mit diesen Fragen befassen und "die Ablehnung aller Formen der Diskriminierung und Ausgrenzung bieten, denen Frauen in Kirche und Gesellschaft ausgesetzt sind", schreiben die Synodenplaner.

Während die nationalen und kontinentalen Texte sowie das Dokument für die kontinentale Phase eine große Bandbreite von Themen, Meinungen und Vorschlägen abbildeten und nebeneinanderstehen ließen, wird im IL an einem entscheidenden Punkt die vatikanische Handschrift überdeutlich. Am Beispiel der Frauen- beziehungsweise Laienfrage zeigt sich die Katho-Logik des Dokuments. Auf den Seiten des IL thematisieren die Synodenplaner an vielen Stellen die "Frage der Beteiligung von Frauen an der Leitung, der Entscheidungsfindung, der Mission und den Ämtern auf allen Ebenen der Kirche", jedoch meinen sie damit stets lediglich die Entscheidungsfindung (decision-making), jedoch nie das Fällen von Entscheidungen (decision-taking).

Die Frage nach der Leitungsgewalt

Die Letztentscheidung ist nach geltendem Kirchenrecht Priestern und insbesondere Bischöfen und dem Papst vorbehalten. Nur so ist die – auf den ersten Blick überraschende – Offenheit des Vatikans, über das Diakonat der Frau nachzudenken, zu verstehen. Nach Kirchenrecht kommt dem Diakon keine Leitungsgewalt in der Kirche zu. Jede weitergehende Forderung – wie sie im Vorfeld der Synode zu hören war – nach der Weihe der Frau zur Priesterin entspricht folglich nicht den zur Diskussion stehenden Beteiligungsformen. Die für Laien und Laiinnen vorgesehene Beteiligungsform ist stets eine beratende, nie eine verbindliche. Darüber können auch die Loblieder des IL auf verschiedenste Partizipationsformen nicht hinwegtäuschen. Folgerichtig lenkt das Dokument den Blick für Laien auf "Autoritäts- und Verantwortungsrollen, die nicht mit dem Weihesakrament verbunden sind" und angemessen gefördert werden sollen. Entsprechend lautet eine Frage, mit der sich die Synodenväter und -mütter beschäftigen werden: "Wie können sie in Beziehung zur Amtsvollmacht der Hirten innerhalb einer synodalen Kirche ausgeübt werden?" Mit Blick auf Einbeziehung von Laien ermutigt das Dokument die Synodenteilnehmer zur Förderung der Partizipationsmöglichkeiten (decision making). Denn: Laien würden die ihnen anvertrauten Aufgaben "in konstruktiver und nicht oppositioneller Weise ausüben", wenn sie zuvor miteinbezogen würden. Des Weiteren thematisiert das Dokument in der Ämterfrage erneut der Priesterweihe verheirateter Männer, die zuletzt von der Amazonassynode gefordert, aber von Papst Franziskus nicht ermöglicht wurde.

Sexuelle Gewalt in der Kirche

Für vatikanische Verhältnisse auffallend ausführlich wird sexuelle Gewalt und Missbrauch in der Kirche thematisiert. So sollen die Synodenväter und -mütter im Oktober Wege diskutieren, dass die Kirche "weiterhin sinnvolle und konkrete Schritte unternehmen [kann], um den Opfern und Überlebenden von sexuellem Missbrauch und geistlichem, wirtschaftlichem, Macht- und Gewissensmissbrauch durch Personen, die ein Amt oder eine kirchliche Verantwortung wahrgenommen haben, Gerechtigkeit zu verschaffen". Noch grundsätzlicher fragen die Synodenplaner: "Ist die Verantwortung für den falschen Umgang mit Missbrauchsfällen individuell oder systemisch?" Eine Frage, die man in Rom bisher stets individualisierend und systemschützend zu beantworten wusste.

Unmittelbar vor der Vorstellung des IL in Rom ließen vier deutsche Bischöfe verlauten, dass sie gegen die Einrichtung eines Synodalen Rates in Deutschland sind und die dort zu behandelten Themen in den synodalen Prozess der Weltkirche geben wollen – schließlich gehe es dabei "um tiefe Fragen der Lehre, vor allem um die Lehre von der Kirche, vom Menschen, von den Sakramenten." Manche dieser Fragen seien so tiefgreifend und die Lösungsvorschläge so divers, dass sie nur von einem Konzil geklärt werden könnten. Schaut man sich die Fülle der Themen und Fragen des Instrumentum Laboris und ihre ekklesiologische Bedeutung an, könnten die vier Bischöfe ein prophetisches Wort gesprochen haben.

Von Benedikt Heider

Instrumentum Laboris

Bei der deutschen Bischofskonferenz findet sich eine Übersetzung des Instrumentum Laboris.