Schwartz auf Weiß – Der Blog aus der Aula der Weltsynode: Teil 1/2024

Nächste Synoden-Etappe: Alles andere als "leichtes Gepäck"

Veröffentlicht am 30.09.2024 um 00:01 Uhr – Von Thomas Schwartz – Lesedauer: 

Bonn ‐ Vier Wochen Synode in Rom, das bedeutet alles andere als "leichtes Gepäck", schreibt Thomas Schwartz in seinem Synoden-Blog. Zu diesem Gepäck gehören aber auch viele Erwartungen unterschiedlicher Seiten.

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Am Samstagabend bin ich in Rom angekommen. Für die kommenden vier Wochen werde ich wieder in einer Sondersituation leben, die recht wenig mit dem zu tun, was sonst meinen Alltag prägt. Mit Hunderten von Bischöfen und Kardinälen, etlichen anderen Synodenteilnehmerinnen und -teilnehmern, theologischen Beraterinnen und Beratern, immer begleitet von einer doch noch interessierten Öffentlichkeit werden wir wie im vergangenen Jahr wieder an runden Tischen sitzen, einander zuhören, viel miteinander sprechen, um konkrete Formulierungen bei der Abfassung unserer jeweiligen Berichte ringen und daneben auch noch ein ziemlich dichtes und anspruchsvolles Programm mit diversen anderen Treffen und Veranstaltungen absolvieren. Diese Wochen werden für keinen der Teilnehmenden ein Zuckerschlecken sein, sondern harte Arbeit.

Man glaubt übrigens gar nicht, was man alles mitnimmt, wenn man vier Wochen unterwegs ist! "Leichtes Gepäck" sieht anders aus! Ich habe nicht nur an Koffern und Rücksäcken mit Kleidung, Waschzeug und allem, was man sonst noch braucht oder zu brauchen meint, zu schleppen. Auch ein paar Aktentaschen mit den Unterlagen für die Synode müssen mit. Auch wenn mittlerweile vieles digital zugänglich ist, habe ich eben doch noch das ein oder andere Dokument in Papierform eingepackt, in das ich etwas hineingeschrieben, worin ich etwas markiert habe und das ich gerne ohne großes Suchen gleich zur Hand haben möchte.

Neben diesem physischen Gepäck bringe ich aber noch vieles mehr zu dieser letzten Etappe der Weltsynode nach Rom mit. Das sind die Erfahrungen der vergangenen Jahre: die Erinnerungen an die Verhandlungen der kontinentalen Zusammenkunft in Prag und das, was wir im vergangenen Jahr im Oktober bereits erlebt haben. Es sind die "Gespräche im Heiligen Geist", die nicht nur die Atmosphäre in der Synodenaula geprägt haben, sondern mir und vielen anderen einen Weg gezeigt haben, wie man in der Kirche und vielleicht auch darüber hinaus wertschätzend und nicht sofort konfrontativ auch mit divergierenden Meinungen und Positionen umgehen kann.

Bild: ©Renovabis/Daniela Schulz

Pfarrer Thomas Schwartz ist Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis.

Hinzu kommt das, was wir in Deutschland in den vergangenen Jahren mit dem Synodalen Weg angestoßen und thematisiert haben. Das kann ich nicht einfach zu Hause lassen. Denn wir Deutsche werden von vielen Mitgliedern der Synode immer wieder darauf angesprochen. Neugierde ist zu spüren, aber auch große Sorge, auch viel Skepsis. Hier gilt es, mutig das Gespräch zu suchen und jedem Rede und Antwort zu stehen. Nur so können Verständnis wachsen und Ressentiments abgebaut werden.

Und schließlich nehme ich auch die Hoffnungen und Erwartungen, aber auch die Ängste vieler Menschen mit nach Rom, die uns Teilnehmenden der Synode geschrieben und sich in der Öffentlichkeit zu Wort gemeldet haben. Viele fordern uns auf, keine Maulkörbe zu akzeptieren, sondern mutig die "heißen Eisen" anzupacken und kein Blatt vor den Mund zu nehmen, wenn es beispielsweise um die Rechte der Frauen und ihre Zulassung zu Weiheämtern in der Kirche geht. Andere hingegen fordern von uns genau das Gegenteil: nicht dem "woken Mainstream der schleichenden Protestantisierung des Katholischen" nachzugeben, wie es in einem Schreiben an mich formuliert gewesen ist. Ähnlich unterschiedliche Erwartungen wurden an uns auch im Blick auf Menschen formuliert, die sich von der Kirche marginalisiert und in ihren Lebensentwürfen diskriminiert fühlen: Da appellieren die einen, uns stark zu machen für die Akzeptanz queerer Menschen in der Kirche, die anderen ermahnen uns, die Morallehre der Kirche nicht zu verraten, sondern auch weiterhin "Sünde zu nennen, was Sünde sei". Auch bei der Frage echter Teilhabe aller bei Entscheidungsprozessen in der Kirche gehen die Erwartungen an die Synodenteilnehmer auseinander. Man müsse hier die Strukturen der Kirche endlich demokratisieren und vielleicht darüber nachdenken, auch Ämter nur auf Zeit zu übertragen. Denn nur so sei man vor klerikalistischem Machtmissbrauch und hinsichtlich des Verbrechens des sexualisierten Missbrauchs und seiner jahrzehntelangen systematischen Vertuschung in der Lage, glaubwürdige Präventions- und Sanktionsmechanismen zu entwickeln. Dagegen betonen andere, dass die Sakramentalität des Dienstamtes und auch die hierarchische Struktur der Kirche gerade zum Proprium des Katholischen zählten und man darum das Übel des Klerikalismus und die verbrecherische Wunde des Missbrauchs in der Kirche anders bekämpfen müsse als durch reines Schielen auf Strukturen, was schließlich auch nur wieder eine Frage der Macht sei – wir kennen ja all diese Diskussionen zur Genüge.

Um ehrlich zu sein. Von der Fülle der Erwartungen und Forderungen, die an uns als Teilnehmende und an diese Synode als solcher herangetragen werden, fühle ich mich fast überfordert. Aber sei's drum: All das habe ich mit nach Rom zur Synode mitgebracht. Ich konnte es nicht daheimlassen. Es sind die Themen, die das Leben der Kirche nicht nur bei uns, sondern weltweit seit Jahren prägen und uns auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auf den Fingern brennen werden.

Beratungen bei der Weltsynode
Bild: ©Cristian Gennari/Romano Siciliani/KNA

Die runden Tische stehen schon bereit.

Werden wir in den kommenden Wochen zu all diesen Fragen Antworten finden? Ich bezweifle das. Und ich glaube, die Verantwortlichen der Synode hatten diese Zweifel ebenfalls, als sie die zehn Arbeitsgruppen einsetzten, deren Zwischenberichte wir während der Synode erhalten werde. Zu groß war wohl die Sorge, dass an der Behandlung einzelner "heißer" Themen die ganze Versammlung zerbrechen könnte und damit das eigentliche Anliegen der Synode, nämlich für die kommenden Jahrzehnte den Rahmen für die Entscheidungsfindung in einer global gewordenen und diversen Kirche abzustecken, verloren gehen könnte.

Ich denke aber, wenn wir weltkirchlich und im Konsens die Punkte beschließen, die im "Instrumentum Laboris" benannt werden, dann war diese synodale Versammlung wirklich erfolgreich. Dazu gehören für mich Transparenz, Rechenschaftspflicht auf allen Ebenen kirchlicher Entscheidungen, echte Beteiligung und Mitverantwortung der Laien – Männer und (!) Frauen – beim Zustandekommen von Entscheidungen in der Kirche, den Kampf gegen einen selbstreferenziellen Klerikalismus, ernsthaftes Bemühen um eine Veränderung der Priesterausbildung, Offenheit für neue Ämter auch für Frauen, glaubwürdiges Bemühen, niemanden mehr auszugrenzen, ein vertieftes ökumenisches Zeugnisgeben und vor allem ein neues – katholisches – Verständnis von Synodalität im Sinne eines geistlichen Miteinanders aller Getaufter statt eines Gegenüber von Laien und Klerikern und eines vertieften Bewusstseins, dass jedes Amt in der Kirche zuerst und vor allem Dienst und nicht Privileg ist.

Und bei all diesen Themen können wir aus unseren konkreten deutschen Erfahrungen sehr viel einbringen. Denn über viele dieser Fragen wurde und wird in Deutschland seit Jahren sehr intensiv nachgedacht. Ob das allerdings reicht, um die Erwartungen, die viele unserer Gläubigen im Vorfeld dieser Synode formuliert haben, zu erfüllen, weiß ich nicht. Aber ich bin davon überzeugt: Gottes Geist hat einen langen Atem.

Von Thomas Schwartz

Hinweis

Pfarrer Thomas Schwartz ist Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerk Renovabis und Teilnehmer bei der Weltsynode in Rom. In seinem Blog schreibt er in regelmäßigen Abständen über seine Erlebnisse und Eindrücke. – Renovabis hat seit 1993 zur Erneuerung von Kirchen und Gesellschaften in 29 Ländern Mittel- und Südost- Osteuropas beigetragen. Bis heute wurden dabei mit rund 870 Millionen Euro mehr als 26.000 Projekte von Partnerorganisationen vor Ort unterstützt.