Bamberger Dom: Wo das einzige Papstgrab nördlich der Alpen liegt
Es muss ein Promi-Schaulaufen gewesen sein, das in dieser Zeit seines Gleichen sucht: Allein 45 Bischöfe, dazu andere kirchliche Würdenträger und gekrönte Häupter sollen dabei gewesen sein, als am 6. Mai 1012 der erste Bamberger Dom geweiht wird. Bei keiner anderen Domweihe im Mittelalter waren so viele Bischöfe anwesend. Dabei ist der Tag weder ein Sonntag noch ein kirchlicher Feiertag. Zufällig gewählt ist der Termin aber nicht: Der König und spätere Kaiser Heinrich II. (973-1024) hat am 6. Mai Geburtstag. Seine Person ist untrennbar mit dem Erzbistum verbunden, die Kathedrale sein Herzensprojekt. "Ohne Heinrich gäbe es den Bamberger Dom nicht", sagt der Leiter der Hauptabteilung Kunst und Kultur im Erzbistum, Domkapitular Norbert Jung.
Als Heinrich (regiert 1002 bis 1024) recht früh klar wird, dass er mit seiner Ehefrau Kunigunde keine Kinder bekommen wird, beschließt er, die Kirche zu seinem Erben zu machen und so ein möglichst dauerhaftes Vermächtnis zu hinterlassen. 1007 gründet Heinrich das Bistum Bamberg – und muss dafür gegen Widerstand vor allem aus Würzburg kämpfen, vor einer Reihe von Bischöfen muss er sogar auf die Knie fallen und sie anbetteln. Ein Einsatz, der sich gelohnt zu haben scheint. "Heinrich ist der Grund dafür, dass Bamberg heute nicht nur Bischofssitz ist und einen Dom hat, sondern auch Weltkulturerbe werden konnte", sagt Jung.
Errichtet wird der Vorgängerbau des heutigen Doms von 1004 bis 1012 auf den Grundmauern der ehemaligen Babenburg, einer Befestigungsanlage, die Heinrich von seinem Vater geerbt hat. Dieser sogenannte Heinrichsdom ist im Vergleich zu anderen Kathedralen aus dem 11. Jahrhundert wie denen in Mainz oder Speyer mit einer Länge von 75 Metern eine eher bescheidene dreischiffige romanische Kirche mit zwei Türmen und einer Holzdecke im Inneren. Ihr Vorbild ist die Grabeskirche des Heiligen Petrus in Rom, dem der Dom auch geweiht ist. Das genaue Aussehen ist heute allerdings nicht mehr rekonstruierbar.
1024 stirbt der inzwischen zum römisch-deutschen Kaiser gekrönte Heinrich II. Auf eigenen Wunsch wird er in seinem Dom bestattet – direkt vor dem Hauptaltar. Kaiserin Kunigunde (980-1033) ist nach seinem Tod für einige Wochen de facto Herrscherin. Als ein Nachfolger gefunden ist, zieht sie sich in das von ihr selbst gegründete Kloster Oberkaufungen bei Kassel zurück. Dort stirbt Kunigunde 1033. Später wird auch ihr Leichnam im Bamberger Dom beigesetzt.
Große Brände zwingen zum Neubau
Nach einem großen Brand im Jahr 1081, bei der die kostbare Ausstattung zerstört wird, wird der Dom zunächst nur instandgesetzt und unter dem in Baufragen bewanderten und später heiliggesprochenen Bischof Otto I. (im Amt von 1102 bis 1139) weiter restauriert, umgebaut und ausgestaltet. Zeitgenössische Quellen sprechen von prächtigen Malereien und Verzierungen. Als Schutz vor zukünftigen Bränden wird das Dach mit kostspieligem Kupfer verkleidet. Der Nutzen ist überschaubar: Nach einem weiteren Großbrand 1185 plant man schließlich einen kompletten Neubau.
Wann dieser Neubau beginnt, ist heute nicht mehr sicher zu sagen. Um auch während der Bauarbeiten weiterhin Gottesdienste feiern zu können, werden Abbruch und Neubau aufeinander abgestimmt. Begonnen wird im Ostteil im romanischen Stil. Doch noch während des Baus bringen die Zisterzienser im nahegelegenen Kloster Ebrach einen völlig neuen Baustil aus Frankreich mit: die Gotik. Also schwenkt man während des Baus in Sachen Baustil um. Während der Ostteil im romanischen Stil gebaut wird, wird der Westteil gotisch errichtet. Das lässt sich auch heute noch an den unterschiedlichen Türmen an der West- und der Ostseite des Doms erkennen. Auch an der Decke wird der Stilwechsel deutlich: Ursprünglich war eine Holzdecke geplant – auch, weil der Bau Heinrichs ebenfalls mit einer Holzdecke überspannt war. "Solche Decken waren damals eigentlich schon altmodisch", sagt Jung. Stattdessen ziehen die Bauarbeiter ein Gewölbe aus Stein ein. Von außen ist diese Planänderung heute daran zu erkennen, dass jedes zweite Oberfenster zugemauert werden musste, um Platz für das Gewölbe zu schaffen.
Auch die aufwendigen Skulpturen an den Portalen der Westseite zeigen den neuen Baustil. "Solche Portalwände waren vorher nicht üblich. Der gotische Stil hat sich hier zum ersten Mal in Deutschland auf einem Niveau gezeigt, wie man es sonst nur aus Frankreich gekannt hat", sagt Jung. Geweiht wurde der Neubau schließlich am 6. Mai 1237 – genau 225 Jahre nach der Weihe des ersten Doms. Dieses Mal allerdings offenbar mit "nur" vier weiteren Bischöfen als Mitkonsekratoren.
Seit dem Bauabschluss hat sich die Architektur des Doms von außen bis heute nicht mehr wesentlich verändert – anders im Inneren: Unter anderem stellt man 1513 im Ostchor ein neues, reichlich verziertes Hochgrab des Würzburger Künstlers Tilman Riemenschneider für die inzwischen heiliggesprochenen Heinrich und Kunigunde auf.
Ungewöhnliches Erscheinungsbild
Nach dem Dreißigjährigen Krieg beginnt dann die barocke Neugestaltung des Innenraums. Er wird komplett farbig ausgemalt und prächtige Altäre halten Einzug in die Kathedrale. Von Dauer ist dieses Aussehen aber nicht: Dem bayerischen König Ludwig I. ist die barocke Innengestaltung zuwider. Er will den Dom trotz aller Kritik wieder in seinen mittelalterlich romanischen Stil zurückversetzen lassen und ordnet um 1830 zahlreiche Rekonstruktionen an, die der Purifizierung dienen. "Man hat alle späteren Einbauten entfernt: die Grabmäler der Bischöfe, die barocken Altäre und den Stuck", sagt Jung. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verschwindend auch die zahlreichen Seitenaltäre. Übrig bleibt ein nüchtern-zurückhaltender Anblick, der sich bis heute hält. "Dieses einheitliche Erscheinungsbild ist sicherlich ungewöhnlich. Es hat – je nach Geschmack – aber auch etwas für sich, weil es im Gegensatz zu anderen Kathedralkirchen kein Sammelsurium an Stilen gibt, sondern alles etwas schlichter gehalten ist", so Jung.
Jedes Jahr kommen rund 1,5 Millionen Besucher zum Dom. "Es geht manchmal zu wie in einer Bahnhofshalle", scherzt der Domkapitular. Sehen wollen die Besucher häufig eine der berühmtesten Skulpturen, den Bamberger Reiter – und müssen dann oft erst einmal suchen, denn der Reiter ist weit oben an einer Säule am Aufgang zum Ostchor angebracht. Doch auch wenn die Skulptur aus der Bodenperspektive klein aussieht, in Wirklichkeit misst sie von den Hufen bis zur Krone 2,28 Meter.
Wer dargestellt wird, ist bis heute nicht sicher geklärt. "Ich kenne alleine 27 verschiedene Versionen – zum Teil sehr abstrus", sagt Jung. Die geläufigsten Theorien besagen, dass es sich um den Heiligen Stefan von Ungarn (969-1038) handeln könnte, einem Schwager von Heinrich II. Oder aber um den jüngsten der Heiligen drei Könige, der Teil einer geplanten monumentalen Krippenszene gewesen sein könnte. Dadurch, dass die dargestellte Person nicht einwandfrei identifizierbar ist, bietet der Bamberger Reiter auch ein Einfallstor für unterschiedliche Vereinnahmungen: In der NS-Zeit wurde er als Idealbild eines deutschen Mannes instrumentalisiert.
Ein weiterer Superlativ befindet sich im Westchor der Kathedrale, auf der gegenüberliegenden Seite des Kaisergrabs und des Bamberger Reiters: das einzige erhaltene Papstgrab nördlich der Alpen. Hier ruht Bischof Suitger, der spätere Papst Clemens II. (1005-1047), 1040 wird Suitger zunächst zum Bischof von Bamberg ernannt. Als König Heinrich III. sich später in Rom zum Kaiser krönen lassen will, ist das Papsttum noch ein Spielball des römischen Adels; drei Päpste amtieren gleichzeitig. Um von einem würdigen Stellvertreter Christi geweiht zu werden, setzte Heinrich bei einer Synode kurz vor Weihnachten 1046 alle drei Päpste ab und lässt einen neuen wählen. "Aus der Wahl ging nicht ganz zufällig Bischof Suitger als Papst hervor", sagt Jung. Auch während seines kurzen Pontifikats blieb Suitger Bischof von Bamberg. Vor seinem Tod 1047 verfügte er, dass er im Bamberger Dom bestattet werden will – bei seiner "ersten Braut", wie er es selbst formuliert. Und so geschieht es dann auch.
Verbindung als bleibende Aufgabe
Heute müssen Besucher sich etwas strecken, wenn sie das Papstgrab sehen wollen: Die unscheinbare Tumba steht hinter der Kathedra und ist für die Öffentlichkeit nur mit Führungen zugänglich. Dieser Ort hat aber einen Grund: "Würde der Bischofsstuhl hinter dem Papstgrab stehen, dann wäre der Bischof im Gottesdienst noch weiter von den Gläubigen entrückt als sowieso schon. Das ist nicht beabsichtigt", sagt Jung.
Während der Ostchor mit dem Kaisergrab dem Ritter Georg geweiht ist, steht das Papstgrab ganz passend im Westchor der Kathedrale, die dem Heiligen Petrus geweiht ist. Die Gottesmutter Maria steht als weitere Patronin des Doms als verbindendes Element dazwischen. Mit diesem Patrozinium will der Dom seit seiner Entstehung Brücken schlagen, etwa zwischen West- und Ostkirche. Diese Verbindung ist auch heute noch eine bleibende Aufgabe des Doms, steht er doch mittlerweile in einer protestantisch geprägten Region. Als Mittelpunkt des Glaubenslebens und Publikumsmagnet der Stadt hat er sich an diese Aufgabe aber schon seit fast 1.000 Jahren gewöhnt.